Full text: [Bd. 1, Abth. 1] (Bd. 1, Abth. 1)

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Zur physischen Geographie. 
dankt der Golfstrom diesen unterseeischen Feuern die unwiderstehliche Expan¬ 
sionskrast, die der Spannung des Dampfes entspricht, und vermittelst deren 
er sich durch die Wassermasse einen Weg bis zum arktischen Gebiete bahnt. 
Möglicher Weise schöpft er aus demselben Heerde den ungeheuren Wärmevor¬ 
rath, den er auf seinem Laufe verausgabt und von dem ihm noch genug 
übrig bleibt, um das Eis des Polarmeeres zu schmelzen. Zum wenigsten ist 
es merkwürdig, daß eine andere, fast ebenso mächtige, Strömung von dem- 
jenigen Punkte unserer Hemisphäre ausgeht, dessen metereologische und geolo- 
gische Verhältnisse ziemlich dieselben wie die des mexikanischen Meerbusens 
sind. Ich meine die andere große Arterie warmen und salzigen Wassers, 
welche im bengalischen Meerbusen, inmitten eines andern Feuerkreises in einem 
Bette, das die innern Zuckungen des Erdballs mit vulkanischen Inseln bedeckt 
haben, ihren Anfang nimmt. 
Der Golfstrom entfließt dem mexikanischen Meerbusen durch den Bahama - 
Kanals) Wie alle wirkenden Mittel, welche die Natur anwendet, hat er 
eine Aufgabe zu verfolgen, eine wichtige Rolle zu erfüllen. Daher läßt er 
sich auch durch nichts von dem Ziele abwenden, das er erreichen will. Wie 
die Wärme, das Licht, die Elektrieität sich in einer Bewegung befinden, 
welche kein Hinderniß aufhält, so verfolgen die Gewässer des Golfstroms die 
kürzeste Linie, die man von ihrem Ursprungsorte zu dem Ziele ihrer Auf- 
gäbe ziehen kann. Auf unserm Erdball ist bekanntlich die kürzeste Entfernung 
zwischen zwei gegebenen Punkten ein Bogen des Meridians; diese Eurve ist 
nun eben diejenige, welche die große Strömung beschreibt, indem sie von 
Bahama ausgeht, Neufundland mit den britischen Inseln verbindet, und 
das westliche Europa im Norden umfließend, sich der Polargegend zuwendet. 
Judeß hat sie doch auf ihrem schnellen Laufe eine schwache Abweichung nach 
Osten, indem sie dem Querstoße unterliegt, welchen die Achsendrehung der 
Erde allen auf ihrer Oberfläche befindlichen Körpern mittheilt. Sie folgt der 
Küste Floridas, und ihre Richtung bleibt parallel der Ostküste Nordamerikas 
oder entfernt sich nur sehr wenig davon bis zur Höhe des Cap Hatteras; 
von da richtet sie sich mehr und mehr nach rechts bis zu den Bänken von 
Neufundland, wo sie sich nach Osten biegt. Bei den Azoren angekommen, 
theilt sie sich in zwei Aeste: der eine geht längs des afrikanischen Eontinents 
*) Der Golfstrom wird als bei der südöstlichen Oeffnung des mexik. Busens anfangend 
Betrachtet. Er fließt daselbst zunächst in einem verhältnißmäßig schmalen Kanäle zwischen 
Euba, Florida und den Bahamabänken. Es sind dies die sogenannten „ Engen des Golf¬ 
stroms-" (The narrows of the gulf stream.) Bei dem nördlichen Ende der Bahama-- 
bank, zwischen ihr und dem Cap CaLayeral verläßt er dieselbe und tritt in den Ocean 
ein; und diese Partie der Strömung ist von alten englischen Seefahrern passend der „Aus- 
fall" (the outfall) des Golfstroms genannt worden.
	        
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