Full text: Bilder aus Amerika (Bd. 1)

Ratten, von denen früher Millionen durch die Panzertiere verzehrt wurden, 
in bedrohlicher Weise vermehrten und an den Ernten wie in den Häusern 
schweren Schaden anrichteten. Um der sonderbaren Landplage zu wehren, 
ist — eine Schonzeit für die Alligatoren eingerichtet worden." 
In vertrautem Geplauder vergeht ein Stündchen, dann sagen wir 
dem gefälligen Landsmann Lebewohl für immer, denn seine Auseinander- 
setznngen haben es uns klar gemacht, daß für den noch gar nicht an das 
Klima gewohnten Fremdling täglich und stündlich der Tod hier lauert. 
In donnerndem Fluge führt uys die Eisenbahn nach Westen in 
den Staat Texas. Nicht ohne Hindernisse geht die Fahrt von statten, 
denn im Norden ist ein Wolkenbrnch niedergegangen und hat das ganze, 
weite Snmpfgebiet überschwemmt, sodaß die Wagen bis zu den Achsen 
im Wasser stecken und das Feuer der Maschine auf einmal erlischt. Die 
sämtlichen Reisenden werden schließlich genötigt, sich vor der immer noch 
steigenden Flut auf die Dächer der Waggons zu retten. Eine ganze, 
sehr unangenehme Nacht bringen wir in dieser unerfreulichen Lage zu; 
der heranbrechende Morgen aber zeigt, daß die Gewäffer gefallen sind, 
nnd in rastloser Eile jagt der Zug, nachdem das Feuer in der Lokomotive 
entzündet ist, weiter, allerdings immer noch im Wasser. 
„Diese Hochfluten find der Schrecken aller Anwohner des Mississippi!" 
erzählt uns ein alter Herr, der in Geschäften nach Texas reist, unterwegs. 
„Kaum ist das Eleud etwas vergesseu, das eiu Elches Ereiguis über 
Tausende von fleißigen Menschen gebracht hat, da bricht eine neue Ver- 
heernng herein und macht andere Tausende zu obdachlosen, hungernden 
Bettlern. Die Schneeschmelze im Frühsahr, lang andauernde Regengüffe 
oder Wolkenbrüche sind die Ursachen des Unheils. Sie können sich kanm 
vorstellen, wie hoch irer Schnee während unserer langen Winter im 
Norden und Nordwesten liegt. Im Winter von 1830 auf 1881, der 
uns etwa 60 schwere Schneestürme brachte, hatte die Schneedecke eine 
Dicke von 5 bis 20 Fuß erreicht, ja einzelne Schneewehen waren sogar 
50 Fuß hoch. Wenn dann der Frühling mit sengender Hitze hereinbricht 
und überdies mächtige Regengüsse niedergehen, erfolgt das Schmelzen dieser 
weißen Massen unheimlich schnell. Die baumlosen Gebirge und Prairien 
können die entstandenen Fluten nicht halten; diese verwandeln die Bäche 
in Flüsse, die Ströme in wirbelnde und kochende Fluten, die ihre Thäler 
auf Meilenweite hin überschwemmen, ihren Lauf ganz willkürlich verändern, 
hier Landstrecken wegreißen, anderwärts riesige langgestreckte Inseln und 
Sandbänke aufhäufeu. Die Wasfer entwurzeln die stärksten Bäume, sie 
führen Plaukenzäuue, Mühlen und ganze Häufer hinweg. Die an den Fluß- 
ufern wohnenden Leute müssen dann für immer an andere Orte ziehen; 
in den Städten werden ganze Straßenviertel weggerissen. Der untere Missi- 
ssippi schwillt fast immer langsam uud allmälich an und stürmt nicht dahin 
wie eiu wütender Bergstrom; aber um so gewaltiger drücken seine Wogen 
gegen die Dämme. Die dadurch drohende Gefahr wird noch dnrch den Umstand
	        
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