Full text: Bilder aus Amerika (Bd. 1)

Wohl 50 000 Dollars. In den Negerkirchen der Südstaaten erscheinen 
die schwarzen Pastoren gewöhnlich mit Hut und Stock aus der Kanzel. 
Im allgemeinen verlangt der Amerikaner von dem Geistlichen ein klang- 
volles Organ, reine Aussprache, angenehme, gewandte Redeweise, Be- 
lehrung über wichtige allgemeine Angelegenheiten. Wer hierin genügt, 
der erzielt fast immer glänzende äußere Erfolge. Überhaupt werden die 
Kirchen drüben viel zahlreicher besucht, als bei nus, weil sich eben die 
Geistlichen in ihrem eigenen Interesse sämtlich bemühen, jenen Wünschen 
ihrer Hörer möglichst gerecht zn werden. 
Im Westen der Union stoßen wir bei Wanderungen ab nnd zn 
anch ans Eingeborene, ans Rothäute oder Indianer, so in Utah ans den 
in 60 Banden zerfallenden nnd etwa 30 000 Köpfe zählenden Stamm 
der Utes oder Utahs, eines der mächtigsten Jndianervölker. Ihr An- 
blick erinnert uns lebhaft an das, was wir bisher überall über das 
Schicksal der Ureinwohner in der Union hörten, sahen und lasen: sie 
alle sind dem Untergange oder dem vollständigen Aufgehen 
in der übermächtig andrängenden Flnt der Blaßgesichter ge- 
weiht. Die meisten Weißen, namentlich die Aankees, haben uns überaus 
ungünstige Bilder von den roten Leuten entworfen; wir hörten diese wie 
Schnee vor der Sonne dahin schmelzenden Leute nur als „rotes Un- 
gezieser" bezeichnen, das entsetzlich roh, wild und blutdürstig und eben 
das Gehängtwerden wert sei. Diese Schilderungen siud aber arg ein- 
feitig, denn die Erzähler vergessen zu berichteu, daß die Rothäute seit 
Jahrhunderten in der scheußlichsten, niederträchtigsten Art von den Weißen 
mißhandelt nnd betrogen worden sind. Alles, was dem roten Manne 
teuer ist, hat ihm das mitleidlose Blaßgesicht geraubt; es hat ihn von 
den Jagdgründen Vertrieben, in denen schon seine Urväter den Büffel und 
Hirsch erlegten; es hat ihn mit List oder Gewalt aus seiner nrsprüng- 
lichen Heimat verdrängt und erbarmungslos weiter und weiter zurück- 
getrieben; es hat die Daseiusbedinguugeu des roten Mannes völlig ver- 
ändert, indem es die Büffelherden und das andere Wild vernichtete und 
indem es nun verlangt, der Indianer, der bis dahin als stolzer Jäger' 
nnd Krieger gelebt nnd mit Verachtung auf die Ackerbau treibenden 
Weißen geblickt hatte, solle den Unterhalt für sich und die Seinen gleich- 
falls dem Boden mit harter Arbeit abringen. Diese Forderung ist dem 
indianischen Krieger einfach unverständlich, denn nach Ansicht seines Volkes 
fallen alle Verrichtungen außer Jagd und Krieg den Frauen zu. Anstatt 
sich nun zn bemühen, die roten Leute allgemach und vorsichtig mit an- 
deren Anschauungen zu erfüllen, will man sie mit einem Schlage aus 
Jagdnomaden zu Ackerbauern machen. Dieser Sprang ist aber zn groß, 
zu gewaltsam und hat deswegen im ganzen auch recht herzlich wenig 
Erfolg gehabt; die europäische Kultur bringt, je weiter sie vordringt, den 
rothäutigen Urbewohnern Amerikas den gewissen Untergang, denn sie 
vermittelt den Indianern ihre Wohlthaten nicht schritt- und stufenweise, 
sondern schroff und plötzlich. Bedürfnisse, Gewöhnungen, Neigungen, selbst
	        
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