Full text: Bilder aus Amerika (Bd. 1)

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die Höhe. Alles vom Schiffe Geworfene erhascht er mit erstaunlicher 
Geschicklichkeit. Indem wir den Fjord verlassen und die Fahrt nach 
Norden fortsehen, haben wir Gelegenheit, den listigen Vogel von den 
Matrosen fangen zu sehen.- Tie Männer werfen ein Stück Speck an 
einer Angelleine ans; wie besessen stürzen die sämtlichen uns folgenden 
Sturmvögel anf den lockenden Köder, mildes Geschrei, Schnattern und 
wogendes Getümmel entsteht, einer sucht den anderen zu vertreiben - 
da hat einer den heißbegehrten Leckerbissen erhascht und sich gefangen. 
Ter sich heftig Sträubende wird heraufgezogen, aber mit Ekel bemerken 
wir, daß er einen erstickenden Aasgeruch verbreitet, der sogar an dem 
Platze haftet, anf dem er sitzt. Einer der Matrosen ist bei dem Ver- 
snche, den übelriechenden Bnrfchen zu fassen, unvorsichtig; da spritzt ihm 
dieser eine widerliche thranige Flüssigkeit aus dem Schnabel entgegen. 
Der Sturmvogel gehört zu deu gefährlichsten Feinden der übrigen ge- 
fieberten Bewohner des hohen Nordens, denn er frißt ihnen Eier und 
Junge weg. 
Wieder gelangen mir zu einem Vogelberge. Während sich unser 
Schiff in dem hier ungefährlichen Wasser nähert, können wir uns das 
höchst eigentümliche Bild einmal mit Muße uud genau betrachten. Den 
Stamm der Niederlassung bilden die Alken: in langen Reihen, dicht an- 
einandergepackt, sitzen sie auf den unzugänglichsten Vorsprüngen der Felsen- 
wand. In allen Klüften, anf allen Absätzen drängt sich Brnst an Brust; 
nnr den äußersten Rand haben die Vögel aus Furcht vor dem Polar- 
fuchse freigelassen. Auf deu niedrigen, leichter zugängliche» Absätzen des 
Berges hocken Schwärme anderer Vögel: Taucher, Summen, Enten, 
Möllen n. s. w. Ebenso unermeßlich wie die Zahl der ruhenden ist die 
der umherschwärmenden Segler. Sobald eines der Tiere sein Nest nur 
einige Augenblicke unbewacht läßt, stürzt der Sturmvogel in räuberischer 
Absicht herzu; ein blutiger Streit beginnt, gewöhnlich mit Vertreibung 
des Räubers endend. Um die gesamte Masse der gefiederten Felsbewohner 
in Bewegung zu bringen, werden einige Schrotschüsse hineingefeuert. Mit 
.ohrbetäubendem Geschrei brausen die Myriaden empor; ihre Menge ist 
so ungeheuer, daß sie thatsächlich nicht nur das Antlitz der Souue, sondern 
den ganzen Himmel verdunkeln. Wie leidenschaftlich, wie aufgeregt klingen 
alle diese Stimmen! Tiefe Laute, fast denjenigen menschlicher Stimmen 
vergleichbar, heisere Augstrufe, jämmerlich wehklagende Laute mischen sich 
zum höllischen Concert. Plötzlich trifft ein neuer, gellender, überaus 
seltsamer Tou unser Cbr; unwillkürlich fahren wir bei seine»! Erklingen 
zusammen. „Der Polarfuchs," erklärt Freund Murphy. „Hören Sie, 
wie er den Bogelberg wieder und wieder begrüßt!" Richtig, noch mehr- 
mals ertönt der seltsame Naturlaut, bald wie höhnendes Lachen, bald wie 
klagender Angstruf. Was Wuuder, daß die alten holländischen Walfisch- 
fänger dies Geschrei für den Ruf des Teufels hielten -und ihn als übles 
Vorzeichen betrachteten'? 
Weiter! Wir landen in Npernivik, auf dem nördlichsten Fleckchen
	        
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