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Wenn wir weit stromauf dringen, entdecken wir hinter der Mangrove-
region etwas höher gelegene Savannen. Weite Strecken derselben sind
auffallend unfruchtbar; spärlicher Pflanzenwuchs bedeckt diese Landschaften;
vorwiegend hartes, hohes Gras und kleines Gesträuch fristen ihr Dasein
auf dem sandigen Boden. Wenn die Regenzeit vorüber ist, verdorren
anch diese Gewächse; erst wenn der Himmel seine Schleusen wieder öffnet,
erwacht die Savanne zu neuem Lebeu.
Unsere Piroge führt uus weiter aufwärts ius Reich der nnermeß-
lichen und undurchdringlichen Urwälder, die mit ihren Baum- und Gesträuch-
Massen auch das weite Hügelland vollständig überwuchern. In diesen
Regionen stoßen wir auf das Boot eines einsamen Händlers, der in der
Wildnis mit den herzugekommenen Eingeborenen Waren tauscht und un-
verkennbar sehr mit dem Erfolg seines Geschäftes zufrieden ist. Es ist
ein hagerer Mann mit von der Tropensonne gebräuntem Antlitz, schwarzem
Haar und Bart und lebhaften, dunkeln Augen, von Geburt ein Franzose.
Sein großes, sorgsam gebautes Boot trägt einen kleinen Mast und ist mit
einem leichten Verdeck versehen. So unterscheidet es sich auffallend von
den Canots der Oyampis, Trios, Roncouyeuues und anderer Indianer,
die darum her festgelegt sind. Die Besatzung des größeren Fahrzeuges
besteht nur ans dem Händler, seinem Neger Bob und einem riesigen
Hunde. Auf dem Uferrande lagern, vor der dichten Hecke ans stachlichtem
Sauso, die Gnippeu der Eingeborenen. Aus Furcht vor dem Fieber kommt
selten ein Händler in die Einöde; drum haben sich die gutmütigen Indianer
in beträchtlicher Anzahl eingefuuden, um ihre einfachen Produkte loszu-
werden. Sie bringen Massen von Kautschuk, gewonnen aus dem Saste
der Siphonia clastica, ferner Tonkabohnen zur Bereitung von Wohl-
gerüchen, Gewürznelken, Sassasrasöl, mit dem man Holzwerk zum Schutze
gegen Termitenfraß bestreicht; ebenso bieten sie den geschätzten roten Färb-
stoff Crajuru, Seidenbaumwolle, köstlich duftende Vanille, Copaivabalfam,
Tierfelle, Öl aus Schildkröteueieru, sowie zahlreiche lebeude Papageien
und Affen zum Tausche an. Der Verkehr zwischen ihnen und dem fremden
Manne ist sehr freundlich; sie kennen einander unverkennbar schon lange
und haben bereits viel mit einander gehandelt. Beliebt macht der Weiße
sich namentlich durch deu erhitzenden und berauschenden Feuertrank, den
wir unter dem Namen Rum kennen und der zum Überfluß auch noch reich-
lich mit rotem Cayennepfeffer gewürzt ist. Die braunen Lente erhalten
Nägel, Messer, scharfe Beile, grellfarbigen Kattun, bunte Perlen, Tabak
und mancherlei andere wertvolle und wertlose Dinge. Der Fremde ver-
steht sein Geschäft; für ein Pfund Vanilleschoten, das bei uns sozusagen
mit Silber aufgewogen wird, giebt er einen Nagel, für eine schwere Last
Sassaparille einen halben Meter seines Kattuns, nnd die Indianer sind
mit ihm zufrieden.
Der Abend sinkt; die beiden Insassen der Barke rudern in den
Strom nnd legen das Fahrzeug dort mit einem kleinen Schleppanker fest.
Wir bringen die Nacht auf Einladung des Franzosen mit in dem Boote