IX. Die Königreiche Schweden und Norwegen.
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eine breite Meeresstraße von dem Skagerrak nach der Ostsee. Später hat sich
das Land gehoben und so eine Landbrücke nach Südschweden hergestellt, das
damals eine Insel bildete. Diese Seen Südschwedens sind bedeutend größer
als die Schweizer Seen, aber ihre Tiefe ist nicht so beträchtlich. Der Wanersee
ist z. B. über zehnmal so groß als der Boden- und Genfer See. Die beiden
südlichen Seen hat man durch Kanäle miteinander und mit der Ostsee oder dem
Skagerrak verbunden. Freilich machte dieser Kanal viel Arbeit. 74 Schleusen
mußten gebaut werden. Oft mußte man sie in harten Fels sprengen. Doch
kürzt er den Weg sehr ab und erspart die Fahrt durch den Sund.
5. Norwegens zerklüftete und fischreiche Küste.
Die Karte zeigt uns, daß die norwegische Küste ungemein zerrissen und
zerklüftet ist. Ungeheuer ist die Zahl der Einschnitte; dadurch erscheint die Küste
wie zerfranst. Wäre die Küste gerade, so wäre sie sechsmal kleiner. Die tiefen
Buchten nennt man Fjorde (Förden). Sie sind verhältnismäßig schmal,
aber sehr lang. Ginge der längste norwegische Fjord von Stettin aus, dann
reichte er bis Berlin oder von Hamburg bis Hannover. Die Fjorde ersetzen den
Unterlauf großer Ströme. Sie sind ungemein tief, tiefer als der Bodensee,
an einzelnen Stellen so tief wie die tiefste Stelle der Ostsee (über 1200 m).
Fast überall sind sie von steil abfallenden Felsen umsäumt; am Eingänge er¬
heben sich in der Regel die Felsen unmittelbar aus dem Meere und bilden gleich¬
sam hohe Eingangspforten. Im Innern gibt es an manchen Stellen flache
Uferränder, welche Raum für Orte und ihre Gärten, Wiesen und Felder bieten.
Von den Felswänden stürzen mächtige Gießbäche herab; hier und da zeigt sich
in der Ferne ein Gletscher. Wo die Küste flacher ist, dort finden sich Weiden
und Wälder. Gegen die Stürme werden sie durch die hochragenden Felswände
völlig geschützt. So sind die Fjorde ein Mittelding zwischen Fluß, Alpensee
und Meeresbucht. Sie sind schmal und lang und gewunden wie ein Fluß. Die
schroff abfallenden Steilufer erinnern an Alpenseen. Mit der Meeresbucht
teilen sie das Salzwasser und die Ebbe und Flut.
Die heftigen Stürme des Atlantischen Meeres haben von der norwegischen
Küste unzählige Felseilande vom Festlande getrennt. Diese Klippeninseln
heißen Schären. Zusammen sind sie größer als ganz Württemberg. Der
größte Teil davon ist unbewohnt und unbewohnbar. Auf den größeren Schären
(über 1000) haben sich Menschen niedergelassen. Viele bestehen ganz aus nacktem
Gestein. Bei andem hat sich eine Pflanzendecke von Moosen, Flechten und
Gräsern gebildet; hier sprossen an günstigen Stellen auch einige Sträucher
von Wacholdern, Heidekraut usw. Die Lofoten sind Schären, die nur weiter
ins Meer hinausragen. So klein sie auch sind, so gibt es auf ihnen doch Gipfel,
die dem Jnselsberge nahekommen. Die Schären haben einen unberechen¬
baren Wert für Norwegen. An ihnen brechen sich die stürmischen Wogen des
Meeres. Sie sind die natürlichen Wellenbrecher und halten jeden Feind ab.
Die Zufahrten durch die Schären sind so schwierig, daß kein fremder Schiffer
sich da zurecht findet. Jedes fremde Schiss nimmt zwei norwegische Lotsen
an Bord, die es sicher durch die Klippen in den Hafen leiten. Hinter den Schären
herrscht meist ruhiges Wasser; doch gibt es auch Sunde, wo eine starke Strö¬
mung die Schiffahrt erschwert.
Die norwegische Küste ist bald mehr und mehr aus dem Meere empor-
g einegen, bald aber auch wieder mehr und mehr ins Meer hinabgetaucht. Dabei
Ratgeber I. Franke. Erdkunde, Teil 2. 9