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einigen, auszuwählen und zusammenzulegen, einmal den geographisch- 
phänomenologischen Gesichtspunkt von den übrigen reinlicher zu 
scheiden und zu verselbständigen. Das Dorf als bodenständige 
Erscheinung, als landschaftliches Phänomen — das ist und bleibt eine Sache 
des Geographen, des Länderkundlers. 
Freilich, die ältere Geographie hat mit dem Dorf wenig anzufangen gewußt. 
Wegen ihrer viel wuchtigeren Erscheinungsweise und größeren, wenigstens auf¬ 
fälligeren Bedeutung haben die Städte*) als Zentren der Kultur, als Lebens¬ 
knoten des Verkehrs und Handels, als Sitze der Verwaltungsbehörden, geziert durch 
Monumentalbauten und reich an Sehenswürdigkeiten in Länderbeschreibungen seil 
je eine viel größere Berücksichtigung gefunden. Da aber neben den wirtschaftlichen 
Zwecken und dem geschichtlich Gewordenen die orographischen Bedingungen auf die 
Lage und Größe, Verteilung und Beschaffenheit der Dörfer einen maßgebenden 
Einfluß gewinnen und anderseits die Dörfer auf das Landschaftsbild zurück¬ 
wirken, so dürfen sie bei der spezialgeographischen Erforschung und Darstellung 
eines Gebietes nicht vernachlässigt werden. 
Lassen wir einmal verstaubte Ehroniken und statistische Tabellen dahinten, 
und durchwandern wir mit offenen Augen die deutschen Lande mit ihrem unab¬ 
lässigen Lichter- und Farbenspiel, ihrem beständigeren Wechsel von Ebenen und 
Bergen, von Wald, Feld und Heide, von fließenden und stehenden Gewässern, um 
eine Gesamtanschauung davon zu gewinnen, wie sich dieser Landschaft das Dorf 
geographisch einfügt. 
Der geographische Begriff des Vorfes. 
Bei dem Worte „Dorf" denkt jedermann zunächst an eine lockere Gruppe 
kleiner, niedriger, von Bauern bewohnter Häuser. Suchen wir diese Allgemein- 
vorstellung „Dorf" in einen Wesensbegriff überzuführen durch schärfere, eindeutige 
Bestimmung seiner notwendigen Merkmale. Wir können uns hierbei an gewisse 
Ausführungen Friedrich Ratzels 2) anschließen. 
Wie Kleidung, Werkzeuge. Feuer und Schmuck, so gehören zum Gemeinbesitz 
der Menschheit auch die Wohnstätten, insbesondere ihre Vergesellschaftung zu Dörfern. 
In stadtlosen Gebieten attrahieren die Dörfer als Inbegriff aller vorhandenen 
Wohnstätten, die keine Einzelhäuser sind, so viel von städtischen Funktionen, als 
in dem betreffenden Gebiet überhaupt vorkommt. In dem städtereichen Deutschland 
dagegen — sehen wir ab von der modernen Erscheinung sogenannter Industrie¬ 
*) Ihnen widmet eine allgemeingeographische, typisierende Betrachtung K. h a s s e r t 
(Teographieprofessor an der Kölner Handelshochschule) in seinem buche „Die Städte" (Bd. 
163 „Aus Natur und Geisteswelt"), das dem erdkundlichen Unterricht sehr wertvollen Stoff 
spendet. 
) In seinen, für die Wissenschaft des lllensch-Erde-problems bahnbrechenden Werken, 
in der zweibändigen Snthropogeographie (1882/91) und in der politischen 
Geographie (1897) werden viele siedelungs- und wirtschaftsgeographische Fragen in 
chrer Abhängigkeit vom Boden mehrfach gestreift, aber doch nicht systematisch behandelt, 
wie ja überhaupt in der klaren, durchsichtigen Systematik Ratzels Stärke nicht gelegen ist' 
Man findet bei ihm dieselben Probleme wiederholt behandelt, nur unter verschiedenen 
Gesichtspunkten, wie sie sich ihm in fortschreitender Gedankenarbeit vor und nach ergaben.
	        
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