Full text: Erziehender Geschichtsunterricht

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lichen Theaterstücke geschrieben hatte, von Wallenstein oder von Wilhelm 
Tell usw., dann mußte es gleich in Berlin aufgeführt werden, dafür 
sorgte die Königin. Und wenn Goethe einen schönen Roman geschrieben 
hatte oder ein Gedichtbuch herausgegeben, dann kaufte die Königin es sich 
gleich und las es sich mit ihren Freunden und Freundinnen vor. Dem 
König aber war so etwas nun höchst langweilig. Er war ein sehr ein- 
facher Mensch, mochte gern auf die Jagd gehen oder zusehen, wie seine 
Soldaten exerzierten, oder spazieren reiten, aber Musik und Bücher mochte 
er nicht. Darum neckte er seine Frau gerne mit diesen Sachen. Ein- 
mal hatte sie es durchgesetzt, daß er ins Theater ging, wo ein neues 
Stück gegeben wnrde. Als er zurückkam und sie ihn fragte, wie es denn 
gewesen wäre, sagte er: „Schauderhaft langweilig, beinah Joethe." Ein 
anders Mal hatte sie sich etwas Besuch eingeladen und saß am Klavier 
und spielte, und es wurde Geige -und Flöte dazu gespielt und ein schönes 
Konzert gemacht. Auf einmal ging die Tür auf, und der König kam 
herein und hatte eine Kindertrompete in der Hand, mit der blies er immer 
laut zwischen die Musik der andern, und das gab so schauderhafte Töne, 
daß das Konzert einfach aufhören mußte. Manchmal wurde die Königin 
ihm doch über, wenn er sie so neckte. So hatte sie eines Morgens, als 
der König zum Kaffee in ihre Stube trat, eine feine seidene Haube auf 
ihrem Tisch liegen, und der sparsame Herr meinte, das wäre schon zu 
viel Putz. „Was kostet das Ding?" fragte er. „Vier Taler," sagte die 
Königin. „Vier Taler für solchen Plunder", sagte der König. „Mußt 
viel Geld haben." Damit ging er ans Fenster und trommelte mit den 
Fingern gegen das Glas. Draußen ging gerade ein alter invalider Soldat 
vorbei. Der König machte das Fenster auf uud rief ihn herein. „Sieh 
dir das Ding da an", sagte der König und zeigte auf die Haube. „Was 
meinst du, daß das kostet?" „Das kostet schon ein paar Groschen", sagte 
der alte Mann. „Ja", sagte der König, „ein paar Groschen! Das ist 
für dich schon ein ganz Stück Geld! — Vier Taler kostet das! Und die 
Dame da auf dem Sofa, die hat soviel Geld, daß sie sich das leisten 
kann. Geh mal hin zu ihr, und laß dir vier Taler von ihr geben, da 
sie soviel übrig hat." Der alte Mann ging auf die Königin zu, und 
nun mußte sie ja wohl oder übel ihr Portemonnaie ziehen und die vier 
Taler hergeben. Aber indem sie das Geld herausnahm, sagte sie lachend: 
„Und nun gehe zu dem Herrn da, der hat nämlich noch viel mehr Geld 
als ich, das weiß ich ganz genau, und laß dir acht Taler geben." Da 
half es nun nichts, der König bei all seiner Sparsamkeit mußte nun eben- 
falls seinen Beutel ziehen und die acht Taler geben. Und der alte
	        
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