62 § 38. Formen des nationalen Zusammenschlusses der einzelnen Staaten.
Tempel des Zeus zu Dodvna (in Epirus), wo sich der Wille des Gottes im
Rauschen einer heiligen Eiche offenbarte. Noch angesehener wurde mit der Zeit
das Delphische Orakel.
3. Das Delphische Krakel. Zu Delphi in der Landschaft Phocis, am
Fuße des Parnaß und in der Nähe der heiligen Quelle Kastalia, lag die
gefeiertste Verehrungsstätte des Lichtgottes Apollo, der bort durch den Mund
der Priesterin Pythia seine Orakel gab.
Im Hinterbau des Tempels öffnete sich ein schmaler Erdschlund, aus welchem
ein kalter, betäubender Luftzug aufstieg. Darüber war auf goldenem Dreifuß
ein Sitz angebracht. Diesen bestieg unter geheimnisvollen Vorbereitungen die
Pythia, wenn ein Götterspruch erholt werden sollte. Von dem aufsteigenden
Dunste wurde sie in einen erregten Zustand versetzt, in dem sie unverständliche
Worte und Laute ausstieß. Ein nebenstehender Priester (Prophetes genannt)
zeichnete dieselben aus und legte danach einen Spruch oder Vers zurecht, der
meist eine mehrfache Deutung zuließ. Diesen verkündete das Kollegium der
Priester welche aus bevorrechteten Familien Delphis gewählt zu werden pflegten,
den Ratsuchenden als Ausspruch des Gottes. In Wirklichkeit war es zunächst die
Klugheit der welterfahrenen Priester, welche den delphischen Orakelsprüchen un¬
leugbaren Wert verlieh; der fromme Glaube tat das übrige.
III. Cempelvereme und Nationalfeste.
1. Die Delphische Ampljiktyonie der „Hellenen". So hieß ein Tempel-
verein, der schon in sehr alter Zeit zum Schutze zweier Heiligtümer, des
Demetertempels bei Thermopylä und des Apollotempels zu Delphi, von den
umliegenden Stämmen gegründet worden war. Mit der Zeit zählte dieser
Verein alle bedeutenden Völkerschaften Griechenlands zu seinen Mitgliedern.
* Außer der Delphischen Amphiktyonie gab es noch andere, wie die Delische
Amphiktyonie, welche hauptsächlich die Cykladen umfaßte.
2. Die vier Hlationalseste. Am Sitze berühmter Heiligtümer gesellten
sich zu der religiösen Feier auch gymnastische Spiele und Wettkämpfe, wie
sie bei den Griechen von jeher in Ehren standen. Im Lause der Zeit er-
wuchsen daraus jene berühmten Nationalfeste, welche in regelmäßiger Auf-
einanderfolge und unter Beteiligung von ganz Griechenland abwechselnd
an vier Orten begangen wurden:
a) die Jsthmischen Spiele, auf dem Isthmus bei Korinth zu Ehren
des Poseidon gefeiert;
b) die Nemeischen Spiele, zu Ehren des Zeus und des Herakles zu
Nemea in Argolis abgehalten;
c) die Pythisch en Spiele, welche zu Ehren des Apollo in Delphi vor-
züglich durch musische Wettkämpfe (dichterische und musikalische, rednerische
und wissenschaftliche Vorführungen) begangen wurden;
d.) die Olympischen Spiele, welche zu Olympia in Elis, dem Hauptorte des
Zeuskultes, alle vier Jahre hochfestlich vor sich gingen. Von 776 an sind