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Heimatkunde des Großherzogtums Hessen. Nr. 10.
Mit der Lage des Kreises hängt auch die verkehrssrage eng zusammen.
In früheren Zeiten bewegten sich die Heere, die Kaufmannszüge, die Posten,
die Lastwagen der Fuhrleute und Bauern aus den alten „Landstraßen",
welche als Feld- oder Waldwege noch vielfach unter dem Namen „hohe
Strafte", „Reffenstraße" oder „Frankfurter Straße" den Kreis durchziehen.
Da Frankfurt infolge seiner natürlichen Lage schon von jeher der Haupt-
Marktplatz für Vogelsberg und lvetterau war, so zogen die Landstraßen alle
strahlenförmig von dieser Stadt aus über die Höhenrücken nach dem Vogels-
berge hin, in den wasserreichen Tälern war meistens mit Fuhrwerken nicht
fortzukommen. Solche „Frankfurter Straßen" haben wir noch über Mar-
köbel, Herrnhaag, Hitzkirchen- über Altenstädt, Stockheim, Breitehaide,
Gber-Seemen,' über Altenstädt, Rodenbach, Eckartsborn, Zwiefalten,' über
Altenstädt, Ranstadt, Nidda, Unter-Schmitten. Erst vor etwas mehr als
100 Jahren begann man mit dem modernen Straßenbau, und heute hat der
Kreis ein ausgedehntes Straßennetz von 390 km Länge. Eine mächtige För-
derung erfuhr der Verkehr jedoch erst in den letzten Jahrzehnten mit der
Eröffnung der Oberhesfischen Bahn Gießen—Gelnhausen (1869 bzw. 1870)
sowie der Strecken Nidda—Schotten (1888), Stockheim—Gedern (1888),
Nidda—Friedberg (1897) und Stockheim—Vilbel (1905).*) Während noch
in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts die meisten (Drte
des Kreises wöchentlich höchstens einmal Postbestellung hatten, findet heute
solche täglich mindestens zweimal statt, und schon seit Jahren sind alle Ge-
meinden an das Fernsprechnetz angeschlossen.
So ist auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Lebens im Kreis ein
riesiger Fortschritt zu verzeichnen. Die meisten Gemeinden Haben in den
letzten Jahrzehnten durch Anlegung von Wasserleitungen für gutes Trink-
wasser Sorge getragen, und durch den Anschluß an das Elektrizitätswerk zu
Wölfersheim wird für Industrie und Landwirtschaft ein neuer Aufschwung
zu erwarten sein.
Seine Geschichte.
In uralter Zeit war unsere Gegend ganz mit Wald bewachsen, in wel-
chem Hirsche, Rehe und Füchse, Wölfe,**) Luchse, Bären und andere Tiere
hausten. In diesem ausgedehnten Waldgebiete lebte ein Volk, das sich in
Tierfelle kleidete und von Jagd und Fischfang, wildem Obst und den
Wurzeln wildwachsender pflanzen nährte. Wohnungen in unserem Sinne
kannten sie nicht' sie lebten in Erdhöhlen, die sie durch Pfahl- und Flecht-
werk, mit Nasen und Erde überdeckt, wetterdicht zu machen suchten. Noch
*) Luche die einzelnen Bahnlinien auf der Karte auf!
**) Wölfe kamen noch im 16. und 17. Jahrhundert einzeln in unseren wäl-
dern vor.