170
ihn schieße, sagte der eine, so laß ich mir einen Mantel davon
machen, der soll mich im Winter hübsch warm halten. Nein, sagte
der andere, ich schieße den Bären und verkaufe den Pelz. Der
Kürschner bezahlt mir zehn Taler dafür, die sollen mir schön in
dem Beutel klingen.
2. Unterdessen war es Zeit geworden, in den Wald zu gehen.
Als sie aber so allein darin waren und von ferne den Tritt des
Bären hörten, da wurde es ihnen doch ein wenig bange. Als er
nun gar näher kam, und sich ein schreckliches Brummen hören ließ,
da warf der, welcher den Pelz verkaufen wollte, seine Flinte weg
und kletterte so schnell als möglich auf einen Baum. Der andere
aber, welcher nun doch auch nicht zu bleiben getraute, konnte sich
nicht mehr flüchten. Zum Glücke fiel ihm ein, daß Bären keine
toten Menschen anrühren. Er warf sich also auf den Boden, hielt
den Atem an und streckte sich hin, als wenn er tot wäre. Der
Bär kam grimmig auf denselben zu; als er aber sah, daß er kein
Glied rührte, glaubte er, der Mensch wäre tot. ' Er beroch ihn
also ein wenig, und als er keinen Atem merkte, lief er weiter,
ohne demselben ein Leid zu tun. Als nun der Bär weit genug
fort war, erholten sich die beiden Jägerburschen von ihrem Schrecken,
der eine stieg von dem Baume herunter, der andere stand vom
Boden aus.
3. Da fragte der, welcher von oben zugesehen hatte: Hör' ein¬
mal, was hat dir denn der Bär in das Ohr gesagt? Ja, sagte
der andere, alles habe ich nicht verstanden, aber eins hat er mir
deutlich ins rechte Ohr gesagt, nämlich: Man darf die Haut des
Bären nicht eher verkaufen, bevor man den Bären hat. Und in
das linke Ohr hat er mir gesagt: Wer seinen Freund in der Not
im Stiche läßt, der ist ein schlechter Kerl. Curiman.
220. Der Esel und die drei Herren.
1. Ein armer Bauer wollte sterben. Drei Söhne standen unl
ihn her. Ach, meine Kinder! seufzet er, ich hinterlaß euch nichts
zu erben als meinen Esel, und mein ganzes Testament ist dies:
Besitzt ihn unzertrennt; dem dien' er heute, jenem morgen, und wer
ihn braucht, mag ihn versorgen.
2. Der Vater stirbt. Der ältste muß den Esel wohl am ersten
haben. Von früh bis in die Nacht läßt er den Schimmel traben.