Full text: Schulgeographie des Königreiches Sachsen

Das Erzgebirge. 
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5. DerZöblitzerSerpentin. ^Geschichtliches. Im 15.Jahrhundert 
traf ein Bürger der Stadt Zöblitz seinen Hütejungen dabei, wie er sich 
während des Viehhütens aus umherliegenden Stücken des Serpentinsteins, 
der bei der Stadt ein Lager von einer halben Stunde Länge und einigen 
hundert Metern Breite bildet, allerhand Figuren schnitzte. Da soll nun 
plötzlich den Zöblitzern ein Licht darüber aufgegangen sein, was für einen 
Schatz sie unbenutzt in der Nähe liegen hatten, und alsbald begannen 
zahlreiche Einwohner der Stadt, steinerne Gebrauchsgegenstände für den 
Verkauf zu schnitzen. Man legte Brüche an- man lernte, den Stein aus 
der Drehbank zu bearbeiten; die Steinsachen fanden viele Käufer; eine 
Steindrechslerinnung entstand, über die sogar der Kurfürst einen Aufseher 
setzte; zwei Drittel der Stadt lebten von der neuen Industrie. Mau 
fertigte Wärmsteine, Trinkbecher, Büchsen, Schalen, auch Bausteine. 
Nun kam den Drechslern ein starker Aberglaube, der sich an den 
Serpentinstein knüpfte, fehr zu statten. Warum heißt er Schlangenstein? 
Weil sich in seiner Nähe keine giftige Schlange aufhalten kann; weil 
Becher aus Serpentin zerspringen, sobald ein giftiger Trank hineinkommt; 
weil Pillen aus gemahlenem Serpentin das beste Gegengift sind! Viel- 
leicht hat die Beobachtung, daß draußen an der Sonne liegende Serpentin- 
steintrümmer vielfach wie eine Schlangenhaut schillern, den Anlaß gegeben, 
daß man von alters her den Stein mit den Schlangen in Zusammenhang 
gebracht hat. Er sollte aber nicht nur gegen Gift, fondern auch noch 
gegen 100 Krankheiten helfen, und noch in dem Cholerajahre 1831 
fanden die Serpentinwärmsteine ganz besonderen Absatz. Zöblitzer Hau- 
sierer gingen damals durch halb Europa. 
Dann kam aber ein völliger Niedergang; das billige Steingut ver- 
drängte^ den Serpentin; die Zöblitzer Drechsler paßten sich dem Geschmacke 
der neuen Zeit nicht an, sondern fabrizierten ihre alten Formen immer 
weiter; sie hielten ihre Zunft ganz abgeschlossen, nur Zöblitzer Kinder 
durften das Handwerk erlernen, kein Geselle durfte wandern. Endlich 
kam aber doch fremde Hilfe und brachte einen neuen Aufschwung in das 
Gewerbe. Eine Aktiengesellschaft bildete sich, die Brüche wurden in 
guten Stand gesetzt, eine große Fabrik^ entstand, die Zöblitzer Drechsler 
fanden zumeist darin Arbeit. Heute hat die Serpentindrechslerei als 
Hausindustrie, die sie früher ausschließlich war, völlig aufgehört. 
b) Ein Besuch im Zöblitzer S erp entin werke. Vor der Stadt sind große 
Trümmerhalden, daneben blickt man in die mächtigen, bergwerksähnlichen Brüche, 
iu denen zu Tage und auch unterirdisch die Steine losgebrochen werden. In 
„bergfeuchtem" Zustande läßt sich der Stein am besten bearbeiten; gleich im 
Bruche wird den Blöcken eine roh znbehauene Gestalt gegeben, je nachdem z. B. 
Säulen oder Platten daraus werden sollen. 
Neben den Brüchen steht die Fabrik. Verfolgen wir die eingelieferten 
roh behauenen Steine bis zu ihrer Verwandlung in die mannigfaltigsten Gegen- 
Wünsche, Schulgeographie des Königreiches Sachsen. 4
	        
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