160 Siegmund. Das Konzil zu Konstanz. §§ 231—233.
Fürsten sehr gehemmt, so galt doch sein Titel noch bei allen Völkern als der
höchste der Christenheit, und je weniger man von dem Papste hoffen durfte,
um so mehr erinnerte man sich daran, daß der Kaiser das weltliche Ober-
schutzamt der Kirche habe. Diese seine Aufgabe ergriff Siegmund mit Eifer,
und so kam es, daß für kirchliche und Reichsangelegenheiten zugleich das
Konstanzer Konzil (1414—1418) berufen wurde.
§ 232. Fast siebzig Jahre war, seit Philipp der Schöne, König von
Frankreich, den Papst Bonifaz VII. von seiner Höhe herabgestürzt hatte,
der Sitz der obersten kirchlichen Gewalt in Avignon gewesen (das sogenannte
babylonische Exil der Kirche 1309—1377) In dieser Zeit war das An-
sehen des päpstlichen Hofes durch Sittenlosigkeit und Schwelgerei, Ämter-
Handel und Gelderpressungen tief gesunken. Als endlich einmal wieder in Rom
ein neuer Papst gewählt worden war, zeigten sich die französischen Kardinäle
mit dieser Entscheidung unzufrieden und stellten aus ihrer Mitte einen
andern Papst auf, der wieder in Avignon seinen Sitz nahm. So begann
die Kirchenspaltung oder das Schisma (1378—1417). Beide Päpste
taten sich gegenseitig mit den ihnen anhangenden Ländern und Völkern
in den Bann; der Streit verwirrte die Gemüter der gläubigen Christenheit
mehr und mehr, und da beide Päpste Geld brauchten, so mehrten sich die
Erpressungen und die schändlichen Künste, womit sie sich's verschafften.
Dieser Zeit gehörte Bonifaz IX. (§ 228) an, der zuerst den Ablaßhandel,
der jetzt, wenn auch nicht der Lehre der Kirche nach, so doch tatsächlich
zur Vergebung der Sünden um Geld herabsank, ins Große trieb und be-
sonders aus Deutschland ungeheure Summen zusammenscharrte. Bei allen
Einsichtigen und Wohlmeinenden erhob sich unter diesen Umstämden laut
und lauter der Ruf nach einem allgemeinen Konzil. Ein solches, das
in seiner Versammlung die ganze Kirche darstelle, müsse deshalb auch, so
behauptete man, nach Christi Verheißung unmittelbar vom Heiligen Geiste
geleitet werden, sei mithin unfehlbar, stehe über den streitenden Päpsten und
sei allein imstande, die Reformation an Haupt und Gliedern zu
vollziehen. Endlich entschlossen sich die Kardinäle in Rom wie in Avignon
dazu, ein Konzil nach Pisa zu berufen (1409). Dieses setzte beide Päpste ab
und wählte einen neuen; da aber jene nicht wichen, so hatte man nur das
Übel verschlimmert und drei Päpste geschaffen, wie man um dieselbe Zeit
drei Könige hatte. — Diese Verwirrung beschloß nun Siegmund zu schlichten.
Da der mächtigste der drei hadernden Päpste, Johann XXIII. (Balthasar
Cossa), vor den Waffen des jungen Königs von Neapel eben aus Rom
hatte flüchten müssen und bei Siegmund Hilfe suchte, so gelang es diesem,
ihn zu bestimmen, ein neues Konzil und zwar nach einer deutschen Stadt,
nach Konstanz, auszuschreiben.
§ 233. Das Konzil zu Konstanz (1414—1418) vereinte noch einmal
die ganze abendländische Christenheit zu einer großen Gemeinschaft. Prälaten
aus Italien, Deutschland, Frankreich und England, den nordischen und
östlichen Reichen, zuletzt auch aus Spanien, kamen hier zusammen; selbst
der Patriarch des damals schon von den Türken sehr gefährdeten Kon-
stantinopel schickte Botschaft. Anwesend waren ein Papst und ein Kaiser,
die meisten deutschen Reichsfürsten mit zahlreichem adeligen Gefolge, Ge-
sandte der fremden Könige, zum Teil prinzlichen Geblüts, Abgeordnete
verschiedener Universitäten, besonders von Paris, Vertreter von Dom-
kapiteln und Klöstern, endlich eine unzählige Menge von Wechslern,
Kaufleuten, Krämern, Abenteurern aller Art und aller Länder, die in dem