und zu vermehren. Die Milch und das Fleisch der Tiere dienen der
Familie zum Unterhalt; in die zur Besorgung der Herde erforderliche
Arbeit teilen sich die Familienmitglieder. Ein Hirtenvolk kann nur dort
leben, wo die Erde Futterkräuter in hinreichender Menge hervorbringt.
Ist die Trift abgeweidet, so muß ein anderes Weideland aufgesucht
werden; der Hirt wandert und schlägt sein leicht bewegliches Zelt bald
hier, bald dort auf. Aber auch bei diesen Völkern sind Zusammenstöße
zwischen den rasch anwachsenden Stämmen unvermeidlich. Darum sind
die Nomaden wehrhafte Leute; ihr kriegerischer Mut treibt sie sogar
manchmal zu großen Auswanderungs- und Eroberungszügen. Da die
Arbeit der Hirtenvölker nicht so anstrengend und gefahrvoll ist wie die
der Jägervölker, so können sie sich das Leben schon angenehmer und
behaglicher gestalten. Die Nahrung wird mannigfaltiger und schmack¬
hafter, die Zelte werden mit größerer Sorgfalt hergerichtet, die
Kleidungsstücke bestehen nicht mehr lediglich aus Tierfellen, sondern der
menschliche Geist hat die Kunst des Spinnens und Webens erfunden,
und bei einigen Nomadenstämmen schreitet die Kultur sogar bis zur
Bearbeitung der Metalle vor.
Auf der nächsthöheren Wirtschaftsstuse steht das Ackerbauvolk. Der
Übergang vom Hirtenleben zum Ackerbau mußte sich vollziehen, sobald
man bemerkte, daß gewisse Körner sich zum Genusse für den Menschen
eignen, und daß die körnertragenden Pflanzen sich durch Ausstreuen des
Samens in bearbeiteten Boden leicht vermehren lassen. Man war fortan
nicht mehr an die Weidegründe gebunden, sondern konnte fast überall die
zum Leben erforderliche Nahrung finden. Die Menschen siedelten sich
daher in bestimmten Gegenden an. Der schweifende Nomade wird ein
seßhafter Ackerbauer, und in friedliche, feste Hütten wandelt sich das be¬
wegliche Zelt. Kein Wunder, wenn dieser gewaltige Fortschritt in der
Entwicklung der Menschheit von den Dichtern auf unmittelbare göttliche
Belehrung zurückgeführt wird. Was die einzelnen Familien durch ihre
Arbeit dem Boden abgewinnen, dient zum Unterhalt aller Faunlienmit¬
glieder und der Sklaven, denen meistens die Herstellung der zum Wirt¬
schaftsbetrieb nötigen Gerätschaften obliegt. Jede Familie produziert also
alles, was sie bedarf; aber auch nur selten mehr; sie hat daher weder
Veranlassung zu kaufen noch zu verkaufen. Es fehlt nicht nur der Kauf¬
mannsstand, sondern auch das Metallgeld. Bei den wenigen Tausch¬
geschäften wird als Tauschmittel das Vieh benutzt, welches neben den
Bodeuerzeugnissen, den Wohnstätten, Wirtschaftsräumen und Gerätschaften
das Vermögen ausmacht. Bei manchen ackerbautreibenden Völkern ist
auch schon ein Besitzrecht des einzelnen am bebauten Boden anerkannt
und der Grund zu staatlichen Einrichtungen gelegt worden. Aber erst
mit der Einführung des Metallgeldes beginnt eine höhere Stufe des wirt¬
schaftlichen Lebens.