30 Charakter-Vögel Europas.
zu hören, was nicht ist. Dies alles aber kommt von den Kämpfen
und Zügen unseres Uhu her, zu welchen sich oft bis zwanzig und mehr
versammeln sollen.
3. Freundlicheres berichtet die Sage vom europäischen
SchWlltt, wenn sie von ihm und andern seiner Gattung er-
zählt, daß er singend unter sanften, entzückenden Melodien sterbe
(„cantator cygnus funeris ipse sui"), nachdem er sein Leben
tonlos verbrachte, — ein sinniges Bild der neues Leben wecken-
den Kraft, die aus den geöffneten Pforten des Todes uns ent-
gegenweht *)! — Der Schwan scheint seiner Natur und Be-
stimmung nach in die Nähe des zivilisierten Menschen zu ge-
hören; denn er wird leicht zahm und daher seiner Schönheit
und zierlichen Bewegungen halber auf Seen und Teichen zur
Belebung und Verherrlichung der Landschaft gehalten. Und in
der That giebts wohl kaum einen schöneren, man möchte fast
sagen poetischeren Anblick, als wenn auf den hellen Gewässern
zahme Schwäne herumrudern, nachhaltige Kreise beschreibend auf
der spiegelglatten Fläche, auf welcher sie sich durch die natür-
lichen Segel ihrer halbgeöffneten Flügel vom Winde treiben
lassen, ohne daß man die Ruderkraft der Füße auch nur aus
einer einzigen sich kreiselnden Welle erraten könnte. Die ganze
Landschaft gewinnt dadurch eiuen Schein der Ruhe, der Be-
haglichkeit und des Friedens. Deshalb soll auch der Schwan,
den schon vor alten Zeiten griechische und römische Dichter
zu symbolischer Würde erhoben haben, im Bilde Europas nicht
fehlen!
4. Wie der Schwan dem Auge, so scheint die Nachtigall
dem Ohre des zivilisierten Menschen zur Freude und Ergötzung
geschaffen und sonach auch vorzugsweise dem Erdteile der Zivili-
satiou zugewiesen zu sein, wenn sie auch über dessen Grenzen
hinaus — im mittleren Asien uud Afrika — verbreitet ist, und
andererseits innerbalb derselben nicht überall - z. B. fehlt sie
in mehreren Teilen Englands und der Schweiz — vorkommt.
1) Man sehe die schöne Stelle bei Cic. Tusc. I. 73. „Cygni non
sine causa Apollini dicati sunt, sed quod ab eo divinationem ha¬
bere videantur, qua providentes quid in morte boni sit.
cum cantu et volupt.ate moriantur" etc. Damit vgl. m, die
sinnigen Sagen des deutschen Altertumes bei Grimm deutsch. Myth.
Th. I. S. 399 ff. (2. Aufl.)