56 Die ungarische Tiefebene. 
besonders Mais, hier Kukuruz genannt, in größerer Menge ge- 
baut, Tabak ist von vorzüglicher Güte, und die Frucht der 
Arbuse (Wassermelone) muß den Mangel an gutem Trinkwasser 
ersetzen. Alle Fruchtarten gedeihen trefflich, ja an manchen 
Stellen gewährt der Boden die reichste Ernte, ohne je gedüngt 
zu sein. Fehlt es aber einmal an genügender Bewässerung, so 
tritt vollständige Mißernte ein, wie das in den fetten Fluren 
des Banats *) so oft der Fall gewesen ist. — c) Die Städte 
sind häufig dadurch entstanden, daß in den Zeiten der Türken- 
kriege die Bewohner zerstörter Dörfer größerer Sicherheit wegen 
sich an einen Ort zusammenzogen. Da es zugleich aber in der 
Ebene an jeglichem Material zu größeren Bauten, Straßen- 
Pflasterung u. dgl. fehlt, so machen umsomehr die ungarischen 
Städte den Eindruck ungeheurer Dörfer, deren Bewohner von 
dort aus ihre in meilenweitem Umkreise die Stadt umgebenden 
Landgüter bearbeiten oder beaufsichtigen. — d) Ein solches Be¬ 
sitztum führt den Namen Pußta2). Es giebt Gegenden, in 
denen man ganze Tagereisen nichts weiter von menschlichen Woh- 
nungen als weit zerstreute, einsame Hütten erblickt. Diese große 
Ebene bietet in jeder Jahreszeit ein verschiedenes Bild: im Früh- 
ling ist sie ein grüner Teppich, den kein Baum beschattet; im 
Sommer eine heiße, ausgedörrte, staubige Fläche; im Winter 
jagen furchtbare Schneestürme über dieselbe hin und bringen 
Menschen und Tieren Gefahr uud Verderben; zur Zeit der 
Schneeschmelze endlich erscheint sie als ein Süßwasser- und Kot- 
meer, wo jeder Verkehr schwierig, wenn nicht unmöglich ist. 
Die Pußta ist eben ein Stück ursprünglicher, uugezähmter Natur, 
iu welcher der Mensch ein Fremdling ist und wenig oder gar 
keine Herrschaft ausübt. Charakteristisch wird die Pußta durch 
den unermeßlichen Reichtum an Tieren. Die Viehzucht, für 
große Strecken der Ebene die einzige Ausnutzung des Bodens, 
beschäftigt sich vorwiegend mit Rindern, Schafen, Pferden und 
Schweinen in einer durchaus eigentümlichen Form. Die großen 
Herden verwilderter Tiere, denen nie ein Strick angelegt wurde, 
weiden auf den Pußten und bleiben in halbwildem Zustande 
bis auf den Tag der Zähmung oder Nutzung. Geradezu 
') Die Niederungen an der Donau und Theiß von Szegedin und 
Temesvar bis unterhalb Weißkirchen. 
2) = Steppe, Wüste.