132 Die Weichselmederungen,
bis zu der Zeit, daß dasselbe zum Stehen gekommen, aufgehoben
und es traf nicht selten zu, daß die Reisenden tagelang aus der
einen Seite des Stromes verweilteu und mit sehnsüchtigen Blicken
nach dem so nahen und doch so unerreichbaren „anderen Ufer"
schauteu. Für die von Marienburg her Kommenden entwickelte
sich in einer solchen Zeit oft ein lustiges Leben in dem auf dem
rechten Weichselufer gelegenen „Fährkruge", das einander mensch-
lich nahe zu rücken zwang und an die Regentage ans dem Rigi
oder der Schneekoppe erinnerte. War das Eis nun zum Steheu
gekommen und wäre es auch nur so, daß es „nicht hielt und
nicht brach", dann wurde quer über den Strom eine Eisbahn
gegossen. Das Wasser gefror sofort und bildete bald einen
sicheren Weg, den erst Fußgänger auf Breteru und dann selbst
die schwersten Fuhrwerke passieren konnten. So ging es nun
meist bis zu dem allgemeinen Eisgang im Frühling; denn nur
selten kommt es vor, daß die Eisdecke schon im Winter auftaut.
Sobald aber die vou Station zu Station ausgestellten „Eis-
wachen" die nahende Gefahr verkündeten, wurde jede Kommuni
kation unterbrochen; selbst die kühnsten Schiffer und Beamten
wagten sich dann nicht hinüber, aller Personenverkehr von User
zu Ufer hörte auf, und nur der Postbriefbeutel wurde zuweilen
auf schwankendem Faden von einer Seite zur anderen gezogen.
b. Aas Aelta.
Nördlich von Marienburg breitet sich eine große Niederung
aus, welcher der „Werder" heißt. Uuter einem Werder aber
hat man sich ein von Flüssen oder Flußarmen umschlossenes
Stück Land zu denken. Hier im Mündungsgebiete der Weichsel
unterscheidet man drei einzelne Werder, nämlich den „Großen"
oder „Marienbnrger", den „Elbinger" und den „Danziger"
Werder. Diese uiedrig gelegenen Landstriche, die sich erst etwa
vor tausend Jahren gebildet haben, gehören zu den fruchtbarsten
Europas. Aber höchst einförmig ist das Land, und die zweite
Ebene zeigt weder Berg uoch Hügel, noch größeren Waldbestand.
Einige Unterbrechungen bringen nur die hier und da auftauchen-
den Kirchtürme hervor, sowie die Reihen krausköpfiger Weiden,
welche die Landstraßen einfassen. Eine Feldflur gleicht genau
der anderen; ein Dorf sieht dem andern zum Verwechseln ähn-
lich. Selbst die Wege unterscheiden sich so wenig von einander,