146. Die menschliche Nahrung. 7
von Mileh, Käse und Butter doch nicht entsagen. Jedenfalls wird der
Organismus dureh eine aus Vegetabilien allein, ohne Zusatz von Fleisch
und Vett, bestehende Kost nicht auf die Dauer zu anstrengender Arbeit
fahig erhalten. Ein starker Arbeiter braucht viel Eiweils zur Erhaltung
Seiner bedeutenden Muskelmasse und grosse Mengen stickstofffreier Substanz,
wenn er nicht Fett vom Körper verlieren soll; es würde ihm nicht gelingen,
diese ganze Masse von Nahrungsstoffen auf die Dauer aus vegetabilischer
Kost auszuziehen, weil seine Verdauung sehr bald leiden müsste. Daher
zoll im allgemeinen die Kost um so reicher an Fleisch und PFett sein, je
mehr Anstrengung vom Rörper verlangt vird. Auch die Vegetabilien sind
dem Menschen unentbehrlich; man kann dies um so eher behaupten, als
es jetzt ziemlich sicher zu sein scheint, dass der Skorbut seine Entstehuns
dem Mangel frischer Gemüse in der Nahrung verdankt, — aber man soll
nur so viel Eiweils und Stärkemehl in der Form pflanzlicher Nahrung
aufnehmen, als ohne Beschwerde für den Verdauungsapparat möglich ist;
das übrige muss dureh Fleisch und Fett ersetzt werden. Namentlich hat
man cem Pett bis jetzt zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, indem man
glaub., s vollständig durceh Stärkemehbl ersetzen zu können. Bei starker
Arbeit ist eine fettreiche Nahrung unumgänglich notwendig. Im allgemeinen
zoll wV uigstens ein Drittel des nöôtigen Stiekstoffs in der Form von Fleiseh
und haupt zwei Dritteile desselben in Form animalischer Nahrungs-
mittel gonossen werden. Die Kost der armeren Bevölkerung ist fast ũberall
eine vorwiegend vegetabilische, weil der Marktpreis der animalischen
sebensmittel im Verhaltnis zu ihrem Nährwert bedeutend höher ist als
derjenige der vegetabilischen, so dass 2. B. animalisches Eiweils und Fett
ungefahr 4mal so teuer bezahlt werden als vegetabilisches. Leider vwird
jedoeh der Nährwert der Pflanzenkost, wie wir oben sahen, durch ihre
mangelhafte Ausnützung im Darm so sehr herabgesetzt, dass schliesslich
das Brot, venn man nicht die eingeführten, sondern die im Körper virklich
zur Verwendung kommenden Nährstoffmengen im Auge hat, eben so teuer
zu stebhen kommt wie das Fleisch. LTrotzdem werden die vegetabilischen
Nahrungsmittel schon aus dem Grunde von den Armen vorgezogen, veil
sie durch ihr grosses Volumen rascher das Gefühl der Sättigung hervor-
rufen, als die weniger voluminöôsse animalische Kost.
. Eine Kost, wenn sie auch die notwendigen Mengen von Nahrungs-
ztoffen in geeigneter Form enthält, ist noch immer keine Nahrung. Mir
würden uns bedanken, venn man uns zu einem aus reinem Eiweils, Fett,
Stürkemehl, Sal- und Wasser bestehenden Mittagsmahl einladen vollte,
und nur im Falle ausserster Not und drückendsten Hungers würden wir
uns entschliessen, ein solches Gemisch von Nahrungsstoffen zu verzehren.
Was ist es denn aber, das uns die Speisen angenehm macht, unsern
Appetit erregt und uns beim Anblick eines guten Mahles das Wasser im
Munde zusammenlaufen lässt? Es ist der besondere Geschmack der Speisen,
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