§19 II. Die Gesteinshülle. U2
findet also ein Landgewinn statt, so spricht man von einer negativen, im andern
Fall von einer positiven Strandverschiebung. Diesen „säkularen" Hebungen
und Senkungen verdanken die Erdteile ihre Entstehung und sie bewirken auch
eine sich stetig vollziehende Veränderung derselben. — Eine negative Strand-
Verschiebung (und zwar anscheinend tatsächlich eine Hebung des Landes, und
zwar von 172—15 m in 100 Jahren) liegt vor bei der skandinavischen Halbinsel
(an den Fjorden Strandlinien bis 180 in über dem Wasser). Da früher zweifellos
eine Senkung stattgesunden hat (die Fjorde sind untergetauchte Täler), so be-
zeichnet man Skandinavien wohl als eine „schaukelnde Scholle" iSüdschweden
,/enkt" sich übrigens heute)1. Ebenfalls negativ (Landhebung?) ist die Strand-
Verschiebung in Finnland, in Kleinasien und an der Hudsonbai. — Positive
Strandverschiebungen (dem Anschein nach ein Hinabsinken des Landes) liegen
(leider!) vor an der holländischen und deutschen Nordseeküste (15—28 ein im Jahr-
hundert), ferner an der Westküste Frankreichs, an der Ostküste der Vereinigten
Staaten, an der Küste Ägyptens, an der Küste Deutsch-Ostasrikas usw. Ein Beweis
für Landsenkungen (oder richtiger für positive Veränderungen) sind auch die bis
500 rn tief liegenden Korallenbänke der Südsee, da sie in einer Tiefe von höchstens
40 in entstanden sein müssen (in größeren Tiefen können Korallentierchen nicht
leben).
b) Der Vulkanismus.
§ 19 Im Gegensatz zu all diesen allmählichen schaffen die Vulkane plötzliche
Veränderungen der Erdrinde.
a) Ursache. Anscheinend 2 befinden sich in der Erdrinde (in Tiefen bis zu 50 km) „Zellen"
mit fenrig-flüssiger Gesteinsmasse, Magma (- Brei) genannt. Die Stelle, wo diese aus irgend-
welchen Ursachen nach oben durchbricht, nennt man Vulkan, den aus den Auswurs-lEruptions-)
Massen aufgehöhten kegelförmigen Berg einen vulkanischen Berg. Die Entstehung der
Magmazellen erklärt man meist so: Bei der gewaltigen Hitze in der Erdrinde würde alles
Gestein flüssig sein, wenn nicht durch den kolossalen Druck die Schmelzpunkte weit herabgesetzt
wären. Vermindert sich nun der Druck irgendwo durch Erdrindenbewegung, z. B. durch Falten-
bildung, so muß das Gestein an solchen Stellen sofort glutflüssig werden. Uber die Ursache
des Ausbruchs gibt die folgende Tatsache einen Fingerzeig: Die rund 320 tätigen Vulkane
(außerdem gibt es rund 400 erloschene) erheben sich fast ausnahmslos an den Küsten, also
da, wo sich zugleich die größten Bruchlinien der Erde befinden. Ganz besonders um-
säumen sie den Stillen Ozean (die Vulkanreihen der Küste nach der Karte angeben!). Daraus
schloß man, daß der Ausbruch dadurch entstünde, daß Meerwasser durch die Bruchspalteu bis
zu den Magmazellen dränge und dort als Dampf die Herausschleuderung der Massen bewirke.
Doch glaubt man, diese Auffassung aufgeben zu müssen, da die südamerikanischen Vulkane immer-
hin bis zu 300 km von der Küste entfernt sind und es vereinzelt auch tätige Vulkane im Binnen-
lande gibt (z. B. der Kirungu an der Nordwestecke Deutsch-Ostasrikas). Immerhin begünstigen
Bruchspalten ganz offenbar den Vulkanismus und „auch von der Mitwirkung des ein-
J) Ein berühmtes Beispiel einer Schaukelbewegung ist der Serapistempel bei Poz-
zuoli (bei Neapel). Seine Marmorsäulen tragen in der Höhe von 3%—6x/2 m deutliche
Spuren der Tätigkeit von Bohrmuscheln. Sie müssen also bis zu 6% m einmal unter Wasser
gewesen sein, stehen heute aber wieder völlig über demselben. (Die untersten 3V2 m müssen
im Schlamm gesteckt haben, weil sie nicht von Bohrmuscheln angefressen sind.)
2) „Eine anerkannte, einwurfsfreie Theorie des Vulkanismus gibt es noch nicht",
sagt Prof. Günther, dem wir uns in den weiteren Ausführungen anschließen.