Payer: Eine Bergbesteigung in Grönland. 165 
geworden ist. Doch welch ein Unterschied! In der umfassenden Fern- 
ficht, welche sich uns nach jeder Himmelsrichtung erschloß, herrschte die 
Erstarrung des Todes, sast kein Zeichen von Naturleben unterbrach die 
rauhe Größe des Berglandes. Statt der üppigen Sohlen unserer Alpen- 
thäler mit ihren Gehöften und Ortschaften lag hier der dunkele Wasser- 
spiegel des Fjords 2200 Meter tief zu unseren Füßen. Unzählige Eis- 
berge, in der Ferne glänzenden Perlen gleich, schwammen auf dessen Fläche 
umher, eine furchtbare Wand fiel anscheinend fenkrecht in denselben ab. 
Von allen Bergstufen, aus jedem Thale senkten sich gigantische Gletscher 
in die Tiefe der gewaltigen Felsgasse, und von den hohen Eisbarrieren 
ihrer unteren Enden lösten sich jene prächtigen Eisberge ab, welche Ebbe, 
Flut und Strömung dnrch das sundreiche Hochland dem Oeean zu- 
führen. 
Mehr als irgend ein anderer Gegenstand fesselte eine ungeheure Eis- 
Pyramide im Westen unsere Aufmerksamkeit. Um ungefähr 1600 Meter 
überragte dieselbe einen hohen Gebirgskamm, welcher sich im dritten Teile 
der Breite Grönlands m südlicher Richtung erstreckt. Diese herrliche 
Spitze konnte würdig nur mit dem Namen des hochverdienten Peter- 
mann, als des Urhebers der ersten deutschen Nordpol-Expedition, belegt 
werden. 
Ein an 30 Kilometer langer Gletscher mit einer prächtigen Mittel- 
moräne erstreckte sich von derselben bis ans Meer herab. Sein Ende 
daselbst war mindestens 7'/2 Kilometer breit. 
Rings am Horizont strebte eine Alpenwelt mit unzähligen, das 
Niveau um 3000 Meter überschreitenden Gipfeln empor. Den Kaiser-Franz- 
Joseph-Fjord vermochte man noch gegen 75 Kilometer weit gegen West- 
südwest zu verfolgen. In dieser Ferne erkannten wir noch mehrere Arme, 
in die sich der Fjord zu verzweigen und deren größter nach Süd abzu- 
biegen schien. Deutlich ließ sich dnrch die perspektivische Trennung der 
Landmassen die Fortsetzung dieser Kanüle jenseits der hohen Jnselmassive 
erkennen. Das auffallende Verschwinden des Hochlandes in südwestlicher 
Richtung schien zur Annahme einer Verbindung des Kaiser-Frauz-Joseph- 
Fjords mit dem Seoresby- und Davy-Sunde zu berechtigen. 
Ich hatte auf dem Gipfel über zwei Stnnden lang gezeichnet und 
mit dem auf einem sehr beengten Felsvorsprunge aufgestellten Theodolits 
gearbeitet. Um vor dem Ausgleiten sicher zu fein, hatte ich meine Schuhe 
ausgezogen und arbeitete in Strümpfen, obgleich dieselben vom langen 
Marsche im Schnee gänzlich durchnäßt waren und gefroren. Aus dieser 
Ursache litt ich diesmal mehr dnrch die Kälte, als während der schlimmsten 
Periode unserer Schlittenreise, ungeachtet wir 2,8° Celsius unter Null 
1) Ein Instrument zum Messen von Höhen nnd Entfernungen.
	        
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