Marburg: Die Dayaks auf Borneo. 457
Das Kleid der Frauen bildet ein knapp anliegendes, ebenfalls ge-
schmücktes, kurzes Tnchröckchen, das durch einen aus Bambusringen und
blinkenden Messingstreifen bestehenden Gürtel zusammengehalten wird.
Überhaupt behängen sie sich gern mit allerlei glitzerndem Tand. Die
Mädchen heiraten mit zehn und zwölf Jahren, machen also darin von den
Javanerinnen keinen Unterschied. — Die Sprache der Dayaks ist ein
schlechter Dialekt des Malaiischen.
Am Nachmittage hatten wir noch Gelegenheit, einem der beliebten
Schwerttünze beizuwohnen. Zwei geschmückte junge Männer tanzten,
die anmutigsten Stellungen einnehmend, um ein paar kreuzweise am Boden
liegende Schwerter. Ihre Bewegungen waren wirklich kunstvoll, wie
man es sonst bei so wilden Völkern selten findet. Zuletzt ergriffen sie
die Schwerter und fochten auf die geschickteste Weise, gleich den besten
Fechtern.
Was das Kannibalentum der Dayaks anbetrifft, über welches ich
weiter unten noch eine kurze Schilderung geben will, so ist es vollständig
mit in ihre Religion, ihr Leben und ihre Sitten verwachsen. Kein
Dayak darf einen eigenen Hausstand gründen, bevor er nicht mindestens
drei Köpfe in seiner Hütte hängen hat. Um Panglima zu werden, muß
man erst mindestens hundert Köpfe erbeutet haben. Die Lebensweise der
Dayaks steht noch auf der niedrigsten Kulturstufe. Sie verzehren nur
das, was Jagd und Fischerei ihnen darbieten, und auch dies roh,
höchstens mit etwas Salz bestreut. Alle nur irgend sangbaren Tiere
werden verzehrt, sogar Schlangen, Eidechsen, Ratten, Mäuse und
Krokodile. Sie gleichen hierin vollkommen den Chinesen. Kleinere
Tiere werden nicht einmal erst ausgenommen, sondern einfach auf Kohlen
ein klein wenig geröstet. Als Zukost haben sie Reis, der nie fehlen darf
und, in Wasser gesiedet, als Lieblingsspeise dient. Ihre Gefäße sind
meistenteils Menschenschädel, große und kleine, je nach Bedarf.
Abends machte ich der Behausung emer alten Frau einen Besuch; sie
war der Arzt des Stammes. Ich sah auch ein hübsches Beispiel ihrer
Heilkunst. Ein junger Dayak war ungeschickt gewesen und von einem
Baume gestürzt, wodurch er sich wohl innerlich verletzt hatte. Das
Weib machte ihm Kränterumschläge, aber wunderbarerweise um den Kopf,
was jedoch leider keinen Erfolg hatte, denn der Patient stöhnte herzzer-
reißend. Sie rieb ihm deshalb den ganzen Körper mit Schlangenfett
ein, das die Dayaks durch Erlegen großer Riesenschlangen zu gewinnen
wissen; auch dieses kostbare Mittel half nichts. Jetzt sollte ich als
Wunderdoktor eintreten. Ich gab ihm aus meiner Reiseapotheke eine
gute Dosis Glaubersalz, was ihm auch zu bekommen schien. Unser
englischer Arzt war leider gerade aus einem.botanischen Ausfluge nach
den nahen Bergen.