Full text: Erläuterungen zu F. Hirts Bilderschatz zur Länder- und Völkerkunde

I. Bodenbeschaffenheit. 
121 
das wilde Felsenbett eines meist wasserarmen Flusses, der über Fels¬ 
trümmer hinweg in immer neue, grössere Tiefen stürzt. Diese wilden 
Flussschluchten in den Felsengebirgen Nordamerikas werden mit dem 
spanischen "Wort „Canons", d. h. unterirdischer Gang, bezeichnet.*) Einer 
der berühmtesten Canons ist der Oberlauf des Arkansas (Nebenfluss des 
Mississippi), von dessen Sohle aus man kaum etwas vom Himmel sieht. 
Schäumend und brausend stürzen seine Wassermassen durch eine steil¬ 
wandige, grausige Enge über Tausende von entwurzelten Bäumen dahin. 
Aber selbst diese grauenvolle Wildnis ist gegenwärtig durch eine Eisen¬ 
bahn aufgeschlossen. 
3. Das von solchen Canons durchfurchte gewaltige Hochland von 
Colorado zwischen dem Felsengebirge und der Sierra Nevada (am oberen 
Arkansas) hat noch eine andere Eigentümlichkeit. Diese wird uns durch 
Bild 36 d veranschaulicht. In einer Höhe von 1300 m über dem Meere 
dehnt sich inmitten einer grossen, wüstengleichen Öde der grosse Salz¬ 
see aus. Er sammelt die aus den Quellen der ihn umgebenden schwachbe¬ 
waldeten Gebirge entstehenden Gewässer. Der Salzsee in Utah hat wie 
alle diese Höhenseeen keinen sichtbaren Abfluss. In dieser Land¬ 
schaft haben sich die Mormonen, „die Heiligen des jüngsten Tages", 
niedergelassen. Ihre Hauptstadt ist Neu-Jerusalem. 
4. Eine weitere Eigentümlichkeit dieser Hochebene wird uns Bild 36 a 
verdeutlicht. Am White-River**) in Arkansas breitet sich „die Stadt 
der Götter" aus. Wasser und Luft haben hier die Erdrinde zernagt, 
zerstört und zu einem Wunderland umgeschaifen : bunte Kalk- und Sand¬ 
steinmassen sind zu den fremdartigsten, seltsamsten und wunderbarsten 
Formen ausgewaschen. Da steigen Felsmauern von 1000 m gleich 
Türmen, Burgruinen oder Festungswällen, schwarz, braun, weiss oder gelb, 
in die Höhe. 
Zu den landschaftlichen Wundern Nordamerikas gehört auch 
5. der Niagara-Fall. Er ist das grossartigste Natur Schauspiel 
seiner Art, der grösste und berühmteste Wasserfall der Erde. Der Name 
„Niagara"***) bezeichnet den Fluss, welcher den Eriesee mit dem tiefer¬ 
liegenden Ontariosee verbindet. Bild 15 a zeigt im H. den herankommen¬ 
den 2 km breiten Strom. 1¡2 Stunde oberhalb des Falles beginnt er 
schon unruhig zu werden. Das Wasser fängt an sich zu kräuseln, 
Stromschnellen folgen. Unter furchtbarem, „tausend Donnern gleichen¬ 
dem" Getöse braust die Wassermasse mit ungeheuerer Schnelligkeit dem 
Abgrunde, den sie selbst in dieses Steinland gewühlt, zu. Hier wird 
der Strom zum Sprung genötigt. „Der Wasserüberfluss von vier mäch¬ 
tigen Binnenseeen stürzt wie ein Meeresstrom turmhoch (52 m) in einer 
einzigen Masse herab. Bewundernswert ist die ruhige Majestät, mit der 
dies geschieht. Die Wasser zerschellen nicht, werden auch nicht ange¬ 
halten oder gebrochen durch Klippen oder Vorsprünge." Nur eine 300 m 
*) Cañons bedeutet ira Spanischen auch Kanone. 
**) Er fliesst kurz vor der Mündung des Arkansas in diesen. 
***) Niagara bedeutet in der Sprache der Indianer „donnerndes Wasser".
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.