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In den südlichen Gebirgen erblickt man die prachtvollsten Ruinen ehemaliger
Thurmwarten auf Felsenspitzen. — Die fnuhtbaren Thäler Andalusiens sind er¬
füllt von schreckendem Stiergebrüll. — Hier wohnen die Nachkommen der Mauren:
du staunst über den wundersamen Menschenschlag, über die Angesichter mit den
scharfen Zügen und den Adleraugen. Männer und Weiber sitzen beim Mondschein
in Gruppen vor den Thüren ihrer Landhäuser, und zur Winterzeit rings um den
großen Feuerheerd und erzählen sich Mährchen und Wundergeschichten. — Spanien
hat auf 9200 Geviertmeilen 16% Millionen Einwohner; Madrid 300,000.
19. Italien.
Italien, nach seiner Gestalt der „Stiefel Europas" genannt, streckt
sich, eine Halbinsel, 200 Meilen tief in das mittelländische Meer hinein.
Von den Alpen bis zur Südspitze des Landes ist es von dem rauhen, meist
unfruchtbaren Gebirgszuge der Apenninen durchzogen, deren Seitenberge, so
wie viele vulkanische Erhebungen, unzählige Höhenzüge bilden, die dem Land
den Charakter eines bergigen verleihen; doch bat es wenig geschlossene, son¬
dern meistens weite, liebliche und fruchtbare Thäler.
Der Po, ein Sohn der Alpen, ist der Hauptflufs in Oberitalien: er
stürzt sich, den Ticin und Nebenflüsse mit sich nehmend in das mittellän¬
dische Meer. Der Arno und die Tiber sind die Hauptflüsse in Mittel¬
italien, wärend Unteritalien keinen nennenswertsten und ganz Italien
keinen schiffbaren Fluss besitzt, da die genannten nur streckenweis Flöße,
Fähren und kleine Schiffsgefäße tragen.
Sobald du von den Alpen hinabgestiegen bist in das schöne Land, merkst
du den Unterschied: heißer scheint die Sonne, der Himmel ist tief blau und
meistens wolkenlos, daher die Luft rein, die Hitze erträglicher, der Blick weit¬
tragender ist. Du kommst zuerst an die meist von Bergen eingeschlossenen
schönen See'n, den Comer-, Langen- und Luganersee. In den Gärten am
Ufer findest du den Wein an Feigen- und andern Bäumen lauben- und
guirlandenartig gezogen, selbst Oleander Cypressen, auch schon Citro¬
nen, die Berge dagegen find mit Oliven bepflanzt. Du bist nun in der
fruchtbaren lombardischen Ebene; die Güter sind in kleinen Theilen ver¬
pachtet. Die Aernte, Weizen, Mais und in den tiefliegenden Gegenden
auch Reiß, wird von Menschen auf dem Rücken eingebracht. Das Land
ist in der größten Kultur; Kanäle und künstliche Bewäfferung kennt man
schon seit Jahrhunderten. Die Seidenzucht steht in höchster Blüthe, daher
findet man an Wegen und Stegen wie auf Feldern den Maulbeerbaum.
Die Hauptstadt Mailand mit seinem Dom von Marmor, in Savoyen
Turin und Genua „das stolze", einst ein mächtiger, unabhängiger Staat,
sieh dir an, dann aber eile nach Venedig, der „Königin der Meere." Auf
den Lagunen, den Untiefen am flachen Meeresufer, zuerst vom Volke, das
sich einst vor den Hunnen dahin flüchtete, erbaut, ward sie eine herrliche,
mächtige Stadt, die ungeheure Schätze zusammenhäufte, die Colonien besaß,
und deren Flotten und Heere überall gefürchtet wurden. — Zwischen den
Häusern sind keine Straßen, sondern Kanäle, über die 450 Brücken führen.
Wagen und Pferde giebt es daher nicht in Venedig, sondern man fährt in
Gondeln, deren Führer (Gondoliere) aller Orten in den Wafferstraßen
halten; nur auf dem großen St. Markus platz, der von Kirchen, Palästen
und Colonaden umgeben ist, drängt sich das Volksgewühl; von hier aus
führt die einzige Straße zum Gehen nach dem einzigen Garten. Beide ließ
Navoleon gnlegen; sonst giebt's keinen grünen Fleck in Venedig.