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ist unbefangener; beide Teile erwarten ein wärmeres Interesse und
tiefergehendes Verständnis für die innern Beweggründe und Wünsche,
die dem streitigen Sachverhalt zugrunde liegen. Sie legen die
Erledigung des Streitfalls mit mehr Vertrauen wie sonst in die Hände
des Gerichts und sind darum auch Vermittlungsvorschlägen zugäng—
licher. Das Verfahren spielt sich in kurzen Fristen ab. Mit einem
einzigen Urteilsspruch ist in Ihrem Fall der Prozeß endgültig ent—
schieden, da die Berufung an das Landgericht nur zulässig ist, wenn
der Sireitwert den Betrag von 100 A übersteigt. Wenn Ihnen
seiner Zeit diese wohltätige Einrichtung nicht zugute gekommen ist,
so beruht dies darauf, daß sie an kleinern Orten fehlt. Sind nämlich
die Gewerbegerichte auch ebenso wie die Amtsgerichte, Landgerichte
u. s. w. Staatsgerichte, so ist doch ihre Errichtung im Einzelfall der
betreffenden Gemeinde überlassen, soweit dieselbe nicht mehr als 20000
Einwohner zählt und infolgedessen nach der neuen Fassung des Gesetzes
sich der Einsetzung eines Gewerbegerichts nicht entziehen kann. Die
Errichtung und nähere Anpassung der Gerichte an die besonderen ört—
lichen Verhältnisse geschieht durch ein Ortsstatut auf Grund eines
geineinsamen Beschlusses von Gemeindevorstand und Gemeindevertretung,
welcher der Zustimmung der höhern Verwaltungsbehörde bedarf. Hier
in Frankfurt ist ein solches Ortsstatut erstmals am 1. Dezember 1891
erlafsen und späterhin wiederholt abgeändert worden.
Nach alledem kann ich Ihnen nur sagen: „Seien Sie guten Muts
und lassen Sie Ihre Klagesache noch heute vormittag auf der Gerichts—
schreiberei des Gewerbegerichts zu Protokoll nehmen. Ich bedaure, Sie
dort nicht vertreten zu können, da Rechtsanwälte und Personen, die
das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, bei den Gewerbe—
gerichten nicht zugelassen sind. Sie brauchen auch meine Unterstützung
bon nun ab nicht mehr, da das Gewerbegericht im Gegensatz zu den
ordentlichen Gerichten, bei denen der Prozeßbetrieb mehr oder weniger
in den Händen der Parteien liegt, alles Weitere von Amts wegen zu
veranlassen hat“.
Brockhaus befolgt die wohlgemeinten Ratschläge. In der Gerichts—
schreiberei des Gewerbegerichts erhält er nach Aufnahme der Klage den
Bescheid, daß am Mittwoch um 9/2 Uhr die Sache zur Verhandlung
komme. Als er zu dieser Stunde in den Sitzungssaal eintritt, findet
er die Verhandlungen bereits im Gange. Neben dem ihm schon be—
kannten Gerichtsschreiber sieht er nur einen Richter sitzen. Da ihm
dies nach der Belehrung des Rechtsanwalts auffallend erscheint, befragt
er hierüber den im Saal anwesenden Gerichtsboten, der ihn dahin
aufklärt, daß in dem ersten Termin nach der Klageerhebung auch der
Vorsitzende allein mit den Parteien verhandeln könne. Dies geschehe
in Frankfurt regelmäßig. Brockhaus hört mehreren Verhandlungen zu
und nimmt wahr, daß der Richter in fast allen Fällen die Parteien