Full text: Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee (Bd. 11)

342 Maricnburg, der Sitz der Hochmeister. 
Von Feuchtwarigen und seinen nächsten Nachfolgern wurden Burg und Stadt 
auss stärkste befestigt und die erstere in großartiger Pracht und Schönheit aus- 
gebaut, so daß kein andrer weltlicher mittelalterlicher Bau „des Ordens Haupt- 
haus zu Marienburg" auch nur entfernt sich an die Seite stellen konnte, wie 
noch jetzt, da doch nur ein Teil desselben in alter Herrlichkeit wiederhergestellt 
ist, der Besucher mit staunender Bewunderung empfindet. 
Nun erst entwickelte sich der Ritterstaat in Preußen zu seiner vollsten 
Blüte und man kann mit vollem Recht behaupten, daß kein Staat während des 
ganzen Mittelalters alles in allem sich einer so kräftigen, geordneten und ver- 
ständigen Regierung, einer so zweckmäßigen Verwaltung und demgemäß einer 
so großen Wohlhabenheit und so gedeihlichen EntWickelung zu erfreuen gehabt 
hat, wie der Ordensstaat am Baltischen Meer in den 100 Jahren, die auf die 
Verlegung des Hochmeistersitzes nach Marienburg folgten. Den Beirat des 
Hochmeisters, der mehr und mehr, namentlich auch in der Vertretung nach 
außen, die Stelle eines und zwar sehr mächtigen Fürsten einnahm, bildeten 
der Großkomtur, der an Stelle des bisherigen Landmeisters trat und das 
Ordenshaupthaus nebst Gebiet zu verwalten hatte, und die vier obersten Ge- 
bietiger, der Marschall, Spittler, Trappier und Treßler. Diese vier höchsten 
Ämter rühren noch aus der ersten Zeit des Ordens her; der erste hatte für die 
Kriegsrüstung der Ordensbrüder, der Spittler für ihre und der Pilger und 
Kranken Verpflegung, der Trappier (von drap, Tuch) für die Bekleidung und 
der Treßler (tresor) für den Schatz Sorge zu tragen; später erweiterten sich 
natürlich ihre Obliegenheiten bedeutend. Anfangs hatten dieselben gemeinschaft- 
lich mit dem Hochmeister ihren Sitz in Marienburg: später war der Marschall 
zugleich Komtur (Commendator) zu Königsberg, der Spittler Komtur zu Elbing, 
der Trappier Komtur von Christburg und nur der Großkomtur und der Treßler 
blieben an dem Hochmeistersitze. Anßermde wurden die wichtigeren Burgen uud 
Städte von Komturen, die weniger bedeutenden von gleichfalls dem Orden an- 
gehörigen Vögten verwaltet. Bei wichtigeren Veranlassungen, namentlich jedesmal 
zur Wahl eines neuen Hochmeisters, wurden sämtliche hohen Ordensbeamten, 
die Gebietiger, zu einem feierlichen Kapitel nach der Marienburg berufen. 
In kirchlicher Beziehung zerfiel Preußen in vier Bistümer, von Kulm, 
Pomefanien, Ermland nnd Samland, wogegen Livland unter dem Erzbischof 
von Riga stand. Begreiflicherweise geriet der Orden mit diesen geistlichen 
Würdenträgern in bezng auf die Oberherrlichkeit über die Unterthanen und die 
Einkünfte in vielfache Streitigkeiten, welche im einzelnen darzulegen zu weit- 
läufig und unerquicklich sein würde. Im ganzen gelang es ihm entschieden, 
ihnen gegenüber nicht nur völlige Unabhängigkeit, sondern sogar eine maß- 
gebende und herrschende Stellung einzunehmen. Dies erreichte er schon durch 
den Umstand, daß er als eine geistliche Körperschaft in seinem Verein Priester- 
brüder zählte, so daß er und seine Unterthanen selbst Bann und Interdikt der 
Bischöfe oder Päpste nicht so sehr zu fürchten brauchten. Die Zerwürfnisse im 
Schöße der Kirche selbst während der Zeit der Kirchentrennung, die weite Ent- 
fernung vom päpstlichen Stuhl, welche die Wirkung der von da aus geschleu- 
derten Bannstrahlen wesentlich schwächte, und namentlich die reichen Geldspenden, 
mit denen der Orden zu gelegener Zeit nicht kargte, um die Beweiskräftigkeit 
seiner Vorstellungen in das rechte Licht zu stellen, ließ ihn in der Regel mit
	        
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