Aus der Reformationszeit. 145
Neuzeit bewegte. Ritterthum und Raubwesen, Heiligeuverehruug und Hexen-
Prozesse, Wallfahrten und Mummenschanz gingen neben einander her.
Priester ritten im Streitharnisch uud Schalksnarren tanzten in der Mönchs-
kutte, der Weise zog die Schellenkappe über die Ohren und die Dummheit
schritt auf Stelzen; in demselben Münster wurden Hochamt und Messe
celebrirt und — bei der Straßburger Kirchweih — ausschweifende Bacchus¬
feste gefeiert. Am tollsten ging es in den Trink- und Schenkstuben her.
Haus in der Tomstraße, wo Kaiser Karl V. im Jahre 1552 wohnte, jetzt Cafs Bauer.
Da sitzen im bunten Durcheinander die Gäste hinter Krügen und Bechern,
die Küfer mit lederner Schürze und anfgekrämpten Aermeln eilen hin uud
her, die leergetrunkenen Krüge wieder durch volle zu ersetzen. Da wird
gezecht, gescherzt, gelacht und Haarstränbend geflucht, man spottet Gottes
und des Teufels; stimmt Einer ein Trink- oder Buhlenlied an, so brüllt
der ganze Chorus mit. Am meisten müssen die Kirche und „das liebe
heilige Römische Reich" herhalten. Die Ehrfurcht vor der Kirche ist eben
dahin, seitdem ihre vornehmsten Diener sich einem Leben voll der Eitelkeit
und Weltlust überlassen und, anstatt das reine Wort Gottes zu lehren,
dem Volke nur die Wahl lassen zwischen Aberglauben und Unglauben.
Deutsches Land und Volk. III. 10