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er, man möge um guter Nachbarschaft willen den Forstwart wieder frei—
geben, er mache seinerseits ja auch von dem verletzten Wildbann kein
weiteres Aufheben; und damit die Stadt erkenne, wie freundlich er ge—
sinnt sei, so schicke er dem hohen Rate anbei einen Hirsch, den er selber
erlegt habe, und der mindestens ebenso gut sei, als der von dem Hunde
gejagte und nicht erlegte, nebst einem Fäßlein Bacharacher, damit auch
der Trunk zum Schmaus nicht fehle.
Die Ratsherren waren starr vor freudigem Staunen, da statt des
gefürchteten Donnerwetters plötzlich so heller Sonnenschein über sie
hereinbrach. Sie sagten dem Boten manch artiges Wort und beglück—
wünschten den Meister Richwin samt seinem Thasso. Der Meister
aber erhob seine starke Stimme, den durcheinander wirbelnden Rede—
schwall laut übertönend, und bat, daß man vor erteilter Antwort den
Boten noch einmal abtreten lassen und ihm auf wenige Minuten Gehör
schenken möge.
„Mißtrauet den süßen Worten des Grafen!“ rief er. „Hätte er uns
seinen Zorn entboten, ich würde nicht erschrocken sein; aber da er uns
seine Huld entbietet, erschrecke ich. Der Graf schenkt uns seinen Hirsch
nicht umsonst. Wir bedürfen des Grafen nicht; sein Vetter, der Braun—
felfer Otto und Landgraf Hermann von Hessen sind uns bessere Bundes—
genossen. Graf Johann aber bedarf unser. Und hat er uns erst am
kleinen Finger, so hat er uns auch ganz. Thasso, Thasso! Du schaffst
uns großes Leid, nicht weil du jenen Solmsischen Hirsch ins Wetzlarer
Feld, sondern weil du diesen Hirsch in die Wetzlarer Ratsküche jagtest!
Ich beschwöre euch, werte Freunde, lehnet das Geschenk freundlich ab,
fordert unser Recht und gebt dem Grafen das seine. Schicket den Hirsch
zurück und behaltet den Jäger, bis der Graf des Dienstmannes Übermut
nach der Ordnung sühnen will — —“
Hier unterbrachen die andern den Redner und hielten ihm vor, er
treibe seinen Groll wegen des leichten Hiebes doch zu weit, daß er nicht
einmal durch so viel Güte zufriedenzustellen sei. Meister Richwin aber
erwiderte* „Spräche ich für mich, ich wäre wohl am meisten mit des
Grafen Vorschlag zufrieden, vorab wegen meines Hundes. Aber ich
rede hier als Ratsherr der Reichsstadt und sage: Fordert unser Recht,
und gebt dem Grafen das seine! Dem Grafen ist der Hund versallen,
weil er seinen Wildbann durchbrochen; uns ist der Forstwart verfallen,
weil er unsern Burgfrieden verleßt hat. Aus Furcht vor dem Zorne
des Grafen wollte ich diesen Hund, meinen treuesten Freund, nicht aus—
liefern, aber aus Furcht vor des Grafen Freundschaft liefere ich ihn aus.
Vorhin, da ich als des Hundes Anwalt sprach, hätte ich weinen mögen
über das arme Tier; jetzt spreche ich als der Anwalt unserer Gemeine,
und da möchte ich noch viel bittrere Tränen weinen über das heran—
schleichende Verderben meiner armen Vaterstadt.“