Full text: [Teil 8 = [Klasse 2], [Schülerband]] (Teil 8 = [Klasse 2], [Schülerband])

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er, man möge um guter Nachbarschaft willen den Forstwart wieder frei— 
geben, er mache seinerseits ja auch von dem verletzten Wildbann kein 
weiteres Aufheben; und damit die Stadt erkenne, wie freundlich er ge— 
sinnt sei, so schicke er dem hohen Rate anbei einen Hirsch, den er selber 
erlegt habe, und der mindestens ebenso gut sei, als der von dem Hunde 
gejagte und nicht erlegte, nebst einem Fäßlein Bacharacher, damit auch 
der Trunk zum Schmaus nicht fehle. 
Die Ratsherren waren starr vor freudigem Staunen, da statt des 
gefürchteten Donnerwetters plötzlich so heller Sonnenschein über sie 
hereinbrach. Sie sagten dem Boten manch artiges Wort und beglück— 
wünschten den Meister Richwin samt seinem Thasso. Der Meister 
aber erhob seine starke Stimme, den durcheinander wirbelnden Rede— 
schwall laut übertönend, und bat, daß man vor erteilter Antwort den 
Boten noch einmal abtreten lassen und ihm auf wenige Minuten Gehör 
schenken möge. 
„Mißtrauet den süßen Worten des Grafen!“ rief er. „Hätte er uns 
seinen Zorn entboten, ich würde nicht erschrocken sein; aber da er uns 
seine Huld entbietet, erschrecke ich. Der Graf schenkt uns seinen Hirsch 
nicht umsonst. Wir bedürfen des Grafen nicht; sein Vetter, der Braun— 
felfer Otto und Landgraf Hermann von Hessen sind uns bessere Bundes— 
genossen. Graf Johann aber bedarf unser. Und hat er uns erst am 
kleinen Finger, so hat er uns auch ganz. Thasso, Thasso! Du schaffst 
uns großes Leid, nicht weil du jenen Solmsischen Hirsch ins Wetzlarer 
Feld, sondern weil du diesen Hirsch in die Wetzlarer Ratsküche jagtest! 
Ich beschwöre euch, werte Freunde, lehnet das Geschenk freundlich ab, 
fordert unser Recht und gebt dem Grafen das seine. Schicket den Hirsch 
zurück und behaltet den Jäger, bis der Graf des Dienstmannes Übermut 
nach der Ordnung sühnen will — —“ 
Hier unterbrachen die andern den Redner und hielten ihm vor, er 
treibe seinen Groll wegen des leichten Hiebes doch zu weit, daß er nicht 
einmal durch so viel Güte zufriedenzustellen sei. Meister Richwin aber 
erwiderte* „Spräche ich für mich, ich wäre wohl am meisten mit des 
Grafen Vorschlag zufrieden, vorab wegen meines Hundes. Aber ich 
rede hier als Ratsherr der Reichsstadt und sage: Fordert unser Recht, 
und gebt dem Grafen das seine! Dem Grafen ist der Hund versallen, 
weil er seinen Wildbann durchbrochen; uns ist der Forstwart verfallen, 
weil er unsern Burgfrieden verleßt hat. Aus Furcht vor dem Zorne 
des Grafen wollte ich diesen Hund, meinen treuesten Freund, nicht aus— 
liefern, aber aus Furcht vor des Grafen Freundschaft liefere ich ihn aus. 
Vorhin, da ich als des Hundes Anwalt sprach, hätte ich weinen mögen 
über das arme Tier; jetzt spreche ich als der Anwalt unserer Gemeine, 
und da möchte ich noch viel bittrere Tränen weinen über das heran— 
schleichende Verderben meiner armen Vaterstadt.“
	        
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