390 Die Pfalz.
die Tabakspflanzen, das weite über Mannshöhe hinausragende Korn, der
die Mais-, Weizen-, Gerstefelder, die Hopfenstücke und die Kleeäcker viel
schöner findet als Tannengruppen, rauschende Buchenwälder, schwellendes
Moos uud rieselnden Waldbach. Ein solch praktischer Blick schaut in der
Pfalz seine helle Freude, ob er jetzt bei Landau, bei Zeiskam und Um-
gegeud die Garteufelder sieht, welche bei Fraukenthal der Ebene zu sich
wiederholen, mit ihren Zwiebeln, Gelbrüben, Spargeln, Meerrettig, Kohl-
rabi, Kraut — ob er weiter rheiuabwärts, bei Ludwigshafen einwärts der
Ebene die weit hingestreckten Kleefelder und die schöublüheudeu Tabaksfelder
— ob er in der nördlichen Pfalz die sanften Hügel mit dem schönsten Korn
geschwellt sieht. Wer zum Vergnügen die Ebene durchwandert, der muß
es mit Euleuspiegel's Sinn thuu, muß fein Auge ruhen lassen auf der
weithin gestreckten, vielgekuppelten Reihe des Hardtgebirges mit ihren Bürgen,
die weithin sichtbar grüßen, und denken der Schönheit, die dort seiner
wartet — dauu wird er, wie Eulenspiegel fröhlich zum Berge stieg, fröhlich
die Einförmigkeit durchwandern.
Aber auch der Jäger findet in der Ebene seine helle Freude, deuu die
ganze Südostecke ist vou eiuem prächtigen Walde, dem „Bieuwalde", bedeckt
uud längs des Rheines hin, von dort, wo er an die Grenze der Pfalz tritt,
bis nach Speyer, sind die „Altrheine", die Ueberbleibsel des alten viel-
gewundenen Rheinbettes, das der Fluß, entweder dem Gesetze seiner Fort-
beweguug folgend, von selbst verlassen hat, oder das er, folgend dem Zwange
des Menschen, der ihm seine Bahn vorschrieb, ausgeben mußte. Die Ge-
fahr der Ueberschwemmuug, die durch den von unzähligen Windungen am
schnellen Abflüsse gehinderten Strome für das Land auf mehrere Stunden
Breite alle Jahre, oft mehrmals, entstand — der Gedanke wol auch, Tausende
von Aren, die so unbenutzbar oder wenigstens nur sehr geringen Nutzen
bietend dalagen, dem Menschen zu gewinnen, haben die angrenzenden
Staaten veranlaßt, ganz bedeutende Summeu uud tüchtige Kräfte auf die
Reguliruug des Rheiustromes zu verwenden. Und wer jetzt eine Karte
zur Hand nimmt der sieht, wie dem Strom eine sanstgeschwuugeue Lauf-
linie allmählich ansgenöthigt wurde, und die Erzeugnisse seiner ausschweifen-
den Launen, die tollen Sprünge, die er früher ins Land hinein gemacht,
die sehen sich jetzt auf der Karte fast wie die Raupen an, welche im Sommer
am Zweige eines Apfelbaumes über einander kriechen nnd die Köpfe nach
den Blättern ausbiegen. Solche Ueberreste des alten Flußbettes also heißen
Altrheine und erstrecken sich oft stundenweit vom jetzigen Rhein in das
Land. So hauptsächlich bei Wörth und Maximiliansau, dort also, wo die
Bahu von Winden, der zweiten Station südlich von Landau her, über
den Rhein führt nach Karlsruhe, wo also auch die erste Pontonbrücke in
ganz Europa ihre Brauchbarkeit erprobt hat. Dort läuft uämlich die
Bahn über eine Schiffbrücke, wie sie sonst nur für Fußgänger und Fuhr-
werk tauglich erschien, und die Vorrichtungen sind so wohl ausgedacht und
gut ausgeführt, daß der im Zuge darüber Fahreude kaum das sauste Biegen
der Brücke fühlt. Das Modell der Brücke, von einem Pfälzer erdacht und
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