Geschichte des alten Schlosses. 4'27
Vaters eine Kapelle, und eine ihrer Weissagungen, die sie der lanschenden
Menge verkündete, lautete, daß an der Stelle, wo ihre Kapelle stehe, sich
dereinst die Burg gewaltiger Herrscher erheben werde. Der Theil des
unteren Schloßberges, der sich an den gesprengten Thurm auschließt, hat
heute noch ihren Namen: Jettabühl. Auch von dem Ende der Seherin,
die Heidelbergs Glanz vorhergesehen und gesagt, weiß die Sage. Es
war ihr Schicksal das der meisten Seher: die Znknnst wissen nnd ihrem
Verhängniß nicht entfliehen können; es ward ihr das Los, das Alle trifft,
die, Gott geweiht nnd seinem Dienste erkoren, ihr Herz der irdischen Liebe
weihen: sie finden in ihr das Verderben. Einst, da sie weissagte, war
unter der Menge ein Jüngling, auf den die hohe Jnngfran einen gewal¬
tigen Eindrnck machte. Er bat sie, anch ihm seine Zukunft zu enthüllen.
Da sie ihm des andern Tages, nachdem sie Gott gefragt, verkündete,
daß ihre eigenen nnd des Jünglings Lebenswege wnnderbar verschlungen
seien, da wallte des Jünglings Herz über vor seliger Frende. Er gestand
ihr seine Liebe, nnd Beide deuteten den Götterspruch auf Glück, das ihueu
in treuer Liebe erblühe. Als der Jüngling sie bat, ihm zu gewähren, daß
er von Lanschern ungestört mit ihr reden, sein ganzes Herz ihr enthüllen
dürfe, bezeichnete sie ihm eine Stelle neckaraufwärts, wo auf verborgener
Waldwiese die frische Quelle dem Fels entströmt, nnd versprach ihm, am
Abende des andern Tages dort zu sein. Sie kam, sie hörte in den Zweigen
der die Wiese umgrenzenden Bänme ein Manschen, mit ausgebreiteten
Armen eilte sie dem Geliebten entgegen; aber statt seiner stürzte ein reißend
Thier, ein blutgieriger Wolf, aus dem Dickicht nnd zerriß sie. Der Jüng-
ling, welcher wähnte, zu süßem Liebesworte mit Jetta am trauten, verborgenen
Orte zusammenzukommen, hörte ihre letzteu Klagerufe, und aus den
Zähnen der Bestie befreite er nur — der Geliebten Leiche. Der Ort, da
Solches geschah, heißt Wolfsbrnnnen bis auf dieseu Tag.
Geschichtlich bestimmbar wird das Schloß zn Heidelberg genannt, als
Friedrich Rothbart seinen Bruder Kourad 1156 zum Pfalzgrasen ernannt
hatte nnd diesem der Bischof von Worms einen Platz, wo jetzt Stadt uud
Schloß Heidelberg stehen, zn Lehen gab. Dieser Konrad wird als Gründer
der Stadt Heidelberg genannt, nnd er erbante auf der Höhe der Molken-
knr ein Schloß. In diesem Schloß regierte nach Konrad noch Heinrich,
Heinrich's des Löwen Sohn, den Konrad's Tochter Agnes, trotz der Fehde
zwischen ihren Hänsern, znm Gatten genommen hatte — was Friedrich von
Heyden in seinem Epos „Das Wort der Fran" gar anninthig erzählt.
Agnes hatte ihrem Gemahle die Pfalzgrafschaft als Kunkellehn mitgebracht.
Nach Heinrich, oder eigentlich mitten hinein in dessen Regierungszeit, fällt die
RegiernngHerzog Ludwig's von Bayern, welchem Kaiser Friedrich an Stelle des
seiner Würde entsetzten Welfen die Pfalzgrafschaft verliehen halle, in welche
derselbe 1219, versöhnt mit dem Kaiser, wieder znrückkehrte. Nach mancherlei
Wechsel der Herrscher kommt die Pfalz als alleiniger Besitz an Rndols
den Stammler, und der ist es, der den eigentlichen Grund zum jetzigen
Schloß legte. Das alte Schloß wird jetzt von den Fürsten verlassen und