Full text: Bilder aus den neuen Reichslanden und aus dem südwestlichen Deutschland (Bd. 3)

Blicke nach der Schweiz. 59 
Zurzach, Waldshut am deutschen Ufer gegenüber, erreichen. Auch hier liegt 
ein Koblenz, ein altes Confluentes der Römerzeit, am Zusammenflusse des 
mächtigsten der Schweizerströme mit dem Rheine. Nur uoch ein größerer 
Fluß kommt ihm aus dem Berner Jura zu, die Birs, die zuerst in öst- 
licher Richtung durch das obere Müusterthal fließt. Sie biegt bei Court 
in ein nördliches Querthal ein und behält diese Richtung bis Delsberg 
(Delemout) bei. Der wilde Charakter des Thales verändert fich hier mit 
der Richtung: der Fluß biegt, nachdem er die Sorne aufgenommen hat, 
nach Nordosten um und geht im flacheren Lanfenthale nach einem Lauf 
von 66 km Länge dem Rhein zu, ein wenig oberhalb Basel, hart bei dem 
Siechenhause von St. Jakob, bei welchem im Jahre 1444 (24. August) 1200 
Eidgenossen den Heldentod in Vertheidignng der heimatlichen Grenzen 
fanden, als die Armagnacs die Freiheit der Schweiz bedrohten (siehe den 
Abschnitt über die Reichslaude Elsaß - Lothringen). Nur wenig südlich 
davon liegt ebenfalls an der Birs das Dorf Dornach, bei dem im Jahre 
1499 die Schweizer wider Kaiser Maximilian siegreich ihre Unabhängigkeit 
behaupteten. Nicht mehr den Alpen, aber doch der Schweiz gehört der 
Jurafluß der Birs an, und darum mag er mit eingerechnet werden in die 
stattliche Schar der Zuflüsse, welche die Schweiz ihrem größten Sohne, 
dem Rhein, spendet. Ueberblickeu wir sie nochmals zusammen, ohne der 
kleineren Ankömmlinge zn gedenken, die aus dem Frickthale bei Stein und 
dann bei Rheiufeldeu münden, so sind sie an Zahl wie an Umfang be- 
deutend genug. Zwar ist die Aareqnelle von der Mündung nur 120 km 
entfernt, aber ihre Länge beträgt doch 280 km, und ihr Flußgebiet umfaßt 
mehr als 2/ö der ganzen Schweiz, 17,614 Dkm. Die Reuß steht ihr mit 
3411 □ km zur Seite bei 145 km Läuge, die Limmat mit 135 km und 
einem Flußgebiet von 2414 Dkm. Gemeinsam haben sie alle den tobenden 
Laus: auf hundert Meter Länge kommt durchschnittlich ein Meter Gefäll. 
Einer wie der andere sind sie gefürchtete Zerstörer; was bei der Linth 
schon 1823 gelungen ist, das wird an der Aare in der Gegend des Bieler 
Sees erst seit 1873 ausgeführt: der Strom wird durch einen Kanal in 
den Bieler See und von da aus durch eiueu zweiten Kanal in seine nord- 
östliche Richtung zurückgeleitet; aber trotz dieser Korrektion der Juragewässer 
hat dort wie in der Ostschweiz noch jeder Sommer von Ueberschwemmnng 
und Verwüstung zu berichten. Sie steigern den nngezähmten Charakter 
des Rheines, der bis in die Niederungen Nordwestdeutschlauds seinen und 
seiner schweizerischen Zuflüsse alpinen Ursprung zu erkennen giebt. 
Während die Flüsse der Mittelgebirge ihren höchsten Wasserstand im 
März oder April zu erreichen Pflegen, wenn die Schneeschmelze in den 
Höhen von ca. 1000 bis 1500 m eintritt, hat der Rhein dann verhältniß- 
mäßig niedrigen Stand. Wenn aber beim Wachsen der Jahreswärme der 
Schnee der hohen Alpengipfel zu thauen beginnt und die Gletscherbäche 
schwellen, dann, wenn bei den Flüssen der Mittelgebirge die dürre Zeit 
gekommen ist, dann entfaltet erst der Rhein seine ganze Kraft. Die tief- 
grüne klare Farbe wandelt sich dann in das Graugelb der Gletschermilch,
	        
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