48 Der Taunus.
es, sobald sie, mit der Nahebahn kommend, Bingen erreichen. Möge es sie,
wenn sie als friedliche Reisende den deutschen Strom oder seine Ufer befahren,
warnen, aber nicht reizen. Möge der Krieg, den unsere Siege beendet haben,
der letzte zwischen uns sein; mögen die beiden Völker fortan nur iu friedlichem
Wettkampfe mit einander ringen, in der Ueberzeugung, daß jedes von dem andern
lernen kann, und daß durch solches Lernen und Nacheifern, nicht aber durch
blutigen Waffengang das Wohl der Menschheit gefördert werde! Zu solchen
Empfindungen und Gedanken regt uns der Ort an, ans dem wir stehen.
Ems. Nach Ems führt uns von Wetzlar, Koblenz oder Mainz ans die
Eisenbahn, auf alleu drei Wegen durch herrliche Gegend. Du kannst es, junger
Deutscher, der du von dem letzten Kampfe mit Frankreich gehört und gelesen
hast, kaum erwarten, bis du in jene Stadt kommst, wo die dem Kriege vor-
hergehenden entscheidenden Worte gesprochen wurden. Meint man ja doch
manchmal, namentlich in Frankreich, diese Worte hätten den Krieg veranlaßt,
so daß, wären sie nicht gesprochen worden, Friede geblieben wäre. Als ob
die Ursachen nicht viel tiefer gelegen hätten! Bereits im Jahre 1869 wurde
einem in Frankreich reifenden Süddeutschen von einem höheren französischen
Ofsiziere gesagt: „Kons ferons la guerre ä la Prusse, mais le moment n'est
pas encore venu." Du steigst am Bahnhofe ans, gehst über die Lahnbrücke,
siehst kaum, wie fich lang und schmal das Städtchen im engen Thale dahinzieht,
wendest deine Schritte sogleich nach dem Kränchensbrnnnen, aus dem dein König
und Kaiser so oft getrunken hat. Auch du kannst dich am kräftigen, wohl-
schmeckenden Waffer laben. Kommst du in den Julitagen hierher, so kannst du
auch den hohen Herrn selbst lustwandeln sehen, in einfacher Kleidung, mitten
unter den anderen Badegästen. Du hast gehört, daß der Ort des Kurgarteus,
wo er am 13. Juli 1870 dem Grafeu Beuedetti, der ihn drängen wollte, dem
Prinzen von Hohenzollern für immer die Annahme der spanischen Krone zu
verbieten, durch seinen Adjutanten sagen ließ, er habe ihm nichts weiter mitzu-
theilen; —daß dieser Ort, sagen wir, dnrch einen Stein mit Inschrift bezeichnet
sei. Du willst diesen Stein aufsuchen. Du findest ihn nur fchwer. Er ist
in den Boden eingefügt, erhebt fich nicht über ihn, ist wol von den Hunderten
von Füßen, deren Weg täglich über ihn weggeht, mit Sand bedeckt; die
Inschrift kaum mehr zu lesen. — Uebrigens sprach der König noch einmal am
folgenden Tage, 14. Juli, im Wartesaal des Bahnhofes mit Benedetti selbst.
Er wiederholte diesem, nach dessen Meldung an den Herzog von Gramont, er habe
y ihm nichts weiter mitzutheilen; die Unterhandlungen, die noch weiter verfolgt
werden könnten, würden von seiner Regierung fortgesetzt werdeu. — Darin konnte
nun nicht wohl eine Beleidigung der französischen Nation gefunden werden; aber
wer sucht, der findet. Gleich am nächsten Tage, 15. Juli, erfolgte die französische
Kriegserklärung gegeu Preußen. Gegen Preußen allein? Nun, man konnte in jenen
Tagen in Bayern, und auch wol anderwärts, sagen hören: „Jetzt geht es nicht
blos gegen Preußen, sondern gegen ganz Deutschland, jetzt ziehen wir auch mit."
Schon früher einmal wird Ems in der Geschichte erwähnt. Im Sommer
des Jahres 1786 kamen dahin „zur Kur" Bevollmächtigte der Erzbischöfe von
Mainz, Trier, Köln und Salzburg. Sie schlössen da im Namen ihrer Auftrag-
geber einen Vertrag, die fog. Emfer Punktation, zur Erhaltung der Freiheit.