Full text: Bilder aus dem westlichen Mitteldeutschland (Bd. 6)

Der Rennsteig. 297 
AbHange; denn hier fällt das Gebirge rasch und jäh zur Ebene hinab. Durch 
diese Thäler brausen die Waldbäche, die der Wanderer oft mehr hört als sieht, 
weil sie mehr Gefälle als Wasser haben. Die südwestliche Seite des Gebirges 
dacht sich allmählich ab; darum gibt es dort auch längere, behaglich ausgedehnte 
Querthäler, aber auch sie bringen ihre Wasserrinnen nicht über die Bedeutung 
eines Mühlbachs hinaus. 
Der Anblick des nordöstlichen Abhanges, wie man ihn von der thüringischen 
Hochebene, z. B. von der Eisenbahn aus, hat, ist überaus schön. Namentlich 
wo am nordwestlichen Ende des Gebirgszuges die Eisenbahn nahe an den Bergen 
vorüberstreift, und diese meist, im eignen Schatten ruhend, groß und dunkel vor 
uns stehen, finden wir uns unter dem Eindrucke einer ernsten und doch freund- 
lichen Erhabenheit. Besonders tritt der Jnselsberg hervor, der zwar nicht der 
höchste, wohl aber der schönste von den Gipfeln des Thüringer Waldes ist. 
Anders ist das an der Südwestseite; da sieht man meist das Gebirge nicht vor 
den Bergen und Hügeln, die sich davor lagern. Wo man aber die Kammhöhe 
und ihre Gipfel sieht, steigt der Blick doch an den Linien der Vorberge wie 
auf einer Leiter von Stufe zu Stufe zu ihnen auf und geht so des mächtigen 
Eindruckes verlustig. 
Der Kamm des Gebirges hat eine mittlere Höhe von 796 m. Darüber 
erheben sich als die hauptsächlichsten Gipfel, die im Kamme selbst stehen, von 
Nordwesten angefangen: der Jnselsberg 926 m, der Beerberg 984 m, der Schnee¬ 
kopf 970 m und der Finsterberg 946 m hoch. Die drei letzteren Berge liegen 
in einer Gruppe zusammen und bilden den Knotenpunkt des Gebirges. Aus 
dem Kamm nach Norden ausspringend liegen in einer dem Kamm parallelen 
Linie der Kienberg, der Arlesberg, der Kickelhahn (862 m) und der Lange- 
Burzelberg, die von manchen als Überbleibsel eines früheren Parallelkammes 
betrachtet werden. Weiter nach Südosten hört die Gipfelbildung auf, es folgen 
die Plateaus der Grauwacke. 
Der Wennsteig. Eine Auszeichnung hat unser Gebirgszug, die er mit 
keinem andern teilt: das ist der Rennsteig (Rennweg), ein Weg, der, wie die 
Milchstraße über den ganzen Himmel, so der Länge nach über das ganze Ge- 
birge hinzieht, von Hörschel bis Blankenstein. Er hält sich stets auf der Höhe 
des Kammes, dessen Windungen er folgt. Von Hörschel steigt er über die Hohe 
Sonne zum Jnselsberg auf, vom Jnselsberg führt er zum Großen Beerberg, 
während er Schneekopf und Finsterberg etwas links liegen läßt. 'Aber auch 
wo das Kammgebirge aufhört und der Zug eine mehr westliche Richtung an- 
nimmt, weiß er genau die Grenze zwischen nördlicher und südlicher Abdachung 
zu finden und bezeichnet die Wasserscheide zwischen Saale uud Main. Wesen 
und ursprünglicher Zweck dieses Weges sind viel gesucht und besprochen, aber 
noch nicht ergründet. Fahrbar ist er überall, nur an dem schroffen Südabhange 
des Jnselsberges nicht. Schon deshalb kann er keine Heer- und Handelsstraße 
gewesen sein, die man ja ohnehin nicht die Gebirgskämme entlang zu führen 
pflegt. Man hat sich daher bei der Erklärung zu beruhigen gesucht, daß der 
Rennsteig ein Grenzweg sei, ein Grenzweg nicht bloß zwischen nordöstlichem 
und südwestlichem Abhänge, sondern auch zwischen den Stämmen hier und dort, 
den Thüringern und den Franken, uud hat diese Erklärung durch die Etymologie 
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