Full text: Bilder aus dem westlichen Mitteldeutschland (Bd. 6)

384 Thüringische Residenzstädte. 
dorthin gebracht hatte, damit er dem Reichstage so nahe wie möglich, doch in 
Sicherheit sei. Und in der That war die Feste Koburg nicht eine Burg gewöhn- 
lichen Schlages, sondern eine Festung, die hoch auf einem Bergvorsprunge ge- 
legen und mit dreifacher Ringmauer, mit Bastionen und Türmen versehen, jener 
Zeit schier für uneinnehmbar gelten konnte. Selbst Wallenstein vermochte im 
Jahre 1632 das „Nest" dem schwedischen Obersten Taupadel nicht zu entreißen, 
obwohl es ebensowenig wie Stralsund mit Ketten an den Himmel geschlossen 
war. Erst im folgenden Jahre ist es, aber durch List, von den Kaiserlichen 
genommen worden. Freilich unsrer gegenwärtigen Kriegskunst gegenüber kann 
es nur für ein Werk der Pietät gelten, wenn die letzten Herzöge von Koburg 
die Feste wiederhergestellt haben. Sie soll als ein historisches Kleinod der 
Nachwelt erhalten bleiben. 
Unstreitig war es ein großer historischer Moment, als Luther auf die Feste 
Koburg in Sicherheit gebracht war, während sich die religiöse Frage auf dem 
Reichstage entscheiden sollte. Es war das zweite Mal, daß der Gottesmann 
von seinem Fürsten so geborgen wurde, und diese landesväterliche Fürsorge thut 
dem Betrachter gar wohl. Luther freilich war nicht zufrieden, von den schwe- 
benden Entscheidungen so ausgeschlossen zu sein, aber er entschädigte sich durch 
fleißige Arbeit, besonders an den Psalmen, und wußte auch in der Welt fort- 
zuwirken durch unzählige Briefe, die er aussandte, und durch das gewaltige Lied 
„Ein' feste Bnrg ist unser Gott", durch das er seinen todesmutigen Glauben 
auf die Seinen übertrug. Und wie er anf der Wartburg durch ritterliche Tracht 
und ritterliche Lebensweise nicht losgerissen werden konnte von den ihn be- 
herrschenden theologischen Vorstellungen, so war er auch hier mit seinen Ge- 
danken so in Augsburg gegenwärtig, daß er in den geschwätzigen Dohlenschwärmen 
auf feiner Feste den beratenden Reichstag sah. 
Auch bei Johann Friedrichs Rückkehr aus der kaiserlichen Gefangenschaft 
erscheint Koburg als der südliche Vorposten des sächsischen Protestantismus. 
Wir haben oben gesehen, wie in Koburg der glückselige Triumphzug begann, 
mit dem der glaubenstreue Fürst heimkehrte. 
Eine Beschreibung der Feste und der in ihr gesammelten historischen Reli- 
quieu ist unfruchtbar für den Schreiber wie für den Leser. Wer Sinn hat für 
die deutsche Vergangenheit, der steige selbst hinauf, und die Räume, von denen 
ein bis in unsre Zeit hochbedeutsames Fürstengeschlecht ausgegangen ist, werden 
sich ihm wunderbar beleben. In dem Luther- und im Reformatorenzimmer, 
vor dem Schwert Johanns des Beständigen, das er auf dem Augsburger 
Reichstage trug, vor dem Beil, damit Grumbach gevierteilt wurde, vor der 
Rüstung Bernhards von Weimar, kurz, überall wird die Geschichte hinter ihm 
stehen, wird ihu an die Schulter rühren und fragen: Weißt du noch, wie das 
so groß und schön, oder so grans und schrecklich war? Denn durch die Geschichte 
sind wir gegenwärtig auch in der Vergangenheit.
	        
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