Full text: Bilder aus dem westlichen Mitteldeutschland (Bd. 6)

436 Umschau und Nachlese. 
die Muße haben, nicht eben gerühmt. Der Reichtum gibt eine Freiheit, die 
auch mißbraucht werden kann, und die Not bisweilen eine Kirchlichkeit, welche 
die rechte EntWickelung des Volkes hemmt. Ich denke dabei an das Eichs- 
feld, den westlichen Flügel Nordthüringens, den wir bereits vom Jnselsberge 
aus mit einem Blicke gestreist haben. Der obere Teil des Ländchens ist schon 
im 11., der untere im 14. und 15. Jahrhundert Eigentum des Bistums Mainz 
geworden, daher hat der Katholizismus dort seine Herrschaft gewahrt, und die 
Not des Landes hat wesentlich dazu beigetragen, das Volk in dem unbedingten 
kirchlichen Gehorsam zu erhalten. 
Der Muschelkalk, mit dem der Boden übersäet ist, und die gebirgige, kalte 
Natur des Landes lassen den Ackerbau wenig gedeihen. Die Ernte ist klein, aber 
viel sind der Arbeiter und mehr noch der Esser. Schafzucht und Flachsbau, 
Fabrikation von leinenen und wollenen Zeugen halfen früher aus; seit aber diese 
Industriezweige im Rückgänge sind, sehen sich die Eichsfelder genötigt, scharen- 
weis auszuwandern, um in reicheren Gegenden Arbeit und ihr Brot zu suchen. 
Sie ziehen die Orte vor, wo sie eine katholische Kirche finden, nnd die Be- 
rührung mit der Außenwelt ändert nichts an ihrem kirchlichen Gehorsam. 
Das übrige thüringer Land dagegen bringt in seinen reichen und mannig- 
saltigen Produkten der Arbeitskrast seiner Bevölkerung die nötigen Arbeitsstoffe 
entgegen. Mit Ausnahme etwa der Meerschaum- und Bernsteinindustrie in 
Ruhla wird der thüringische GeWerbefleiß von den Landesprodukten in An- 
sprnch genommen. Das Getreide der nordthüringischen Ebene ging wenigstens 
früher fast ausschließlich nach Nordhausen, wo es in den Brennereien zu dem 
weltbekannten Nordhäuser Kornbranntwein verarbeitet wurde. Nunmehr hat 
die Zuckerfabrikation, die in zahlreichen Dörfern und Städten sich ihr Hans 
gebaut, die Brennereien zurückgedrängt. In den Obstplantagen „welken" die 
Pächter, was sie nicht frisch verkaufen können, zur Ausfuhr in die Ferne. Der 
Thüringer Wald liefert das Holz zu den Spielwarenfabriken in Sonneberg und 
Walthershausen, deren Erzeugnisse auf dem Weihnachtstische nicht fehlen dürfen; 
ferner Porzellanerde zu den zahlreichen Porzellanmanufakturen. Ein alternder 
Kandidat, Macheleidt mit Namen, erzählt man, fand diese Erde bei Volkstedt 
und verwendete sie znerst als Streusand in seinem Schreibzeuge. Da er aber 
auch chemische Kenntnisse hatte, experimentierte er mit ihr und erfand so das 
thüringer Porzellan, zu dessen Herstellung er in Volkstedt mit Hilfe einer Aktien- 
gesellschaft die erste thüringische Porzellanfabrik anlegte. Verbessert ist das 
Verfahren späterhin durch Dröse in Elgersburg, dessen wir oben beim Dröse- 
stein Erwähnung gethan haben. Auch Eisen hätte das Gebirge hinreichend, 
um die Waffenfabriken von Dreyse in Sömmerda und in Suhl zu versorgen, 
aber der Mangel an Steinkohlen macht die Gewinnung des Eisens zu teuer und 
weist mehr und mehr auf andre Bezugsquellen hin. 
Aber ich würde nicht fertig werden, wenn ich alle Produkte und alle In- 
dustriezweige rückschauend auch nur aufzählen wollte, und mehr zu thun als 
dies, fühle ich mich diesem Fache gegenüber ohnehin nicht in der Lage. Zum 
Schlüsse denn! .Und dieser Schluß laute: Thüringen ist ein glückliches Land, 
und Gott erhalte Land und Volk in seinem Glücke! 
Ende des sechsten Bandes.
	        
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