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land und erlangten die gleichen Rechte. Teutsche beherrschten hier
vollständig den Handel, so daß andere Nationen und auch Ein¬
heimische nicht aufkommen konnten. Gleichzeitig fuhren deutsche
Kaufleute über die Nordsee nach Norwegen und erhoben dort
Drontheim und Bergen zu wichtigen Stapelplätzen. So hatten
sich die Deutschen infolge der zentralen Lage ihres Landes zum
ersten Handelsvolk im nördlichen Europa emporgeschwungen.
Der Aufschwung des Handels stand im Zusammenhang mit
der Kolonisation des Ostens. Hier lebte eine ausschließlich Ackerbau
treibende Bevölkerung. Darum gab es zwischen dem Osten und
dem mehr industriellen Westen Waren mancherlei Art, die zum
Austausch Anlaß geben. Auch die Gaben des Orients und des
europäischen Südens brachten die Kaufleute nach dem europäischen
Norden und nahmen von dort mit, was die Natur bot. Deutsch¬
land hatte Überfluß an Holz, Getreide, Wein, Bier und versorgte
damit den Norden, der Nahrungsmittel nur in geringer Menge
hervorbrachte. Im Hafen von Danzig lagen z. B. 1392 einmal
zu gleicher Zeit 300 Schiffe mit Getreide, die nach England gehen
sollten. Dorthin gelangten besonders auch deutsche und nieder¬
ländische Web- und Metallwaren; denn England, das heute eine
so blühende Industrie hat, lieferte damals im wesentlichen nur
Rohstoffe, namentlich Wolle und Zinn. Für die Erzeugnisse der
Gewerbetätigkeit, die nach dem Norden und Osten gingen, brachten
die Kaufleute Felle, feines Pelzwerk, Pferde, Talg, Speck und
verschiedenes Holz mit. Besonders umfangreich war der Handel
mit Fischen. Man muß sich dabei vergegenwärtigen, daß die
Nahrungsmittel lange Zeit vorwiegend den Bodenerzeugnissen ent¬
nommen wurden; erst in den Städten bürgerte sich das Fleisch¬
essen ein. In dieser Zeit des Übergangs war der Fisch eine be¬
liebte Speise, zumal er von der römischen Kirche auch als Fasten¬
speise gestattet wurde. Darum muß man annehmen, daß der
Verbrauch an geräucherten und gesalzenen Fischwaren in Deutsch¬
land recht bedeutend war. Die Hauptrolle spielte dabei derHering,
der in großen Wanderzügen durch den Sund die Ostsee aussuchte.
Gefangen wurde er namentlich an der südlichen Spitze der heute
schwedischen Halbinsel Schonen bei der Landzunge Falsterbo.
Wenn sich dort vom Juli bis Oktober die Fischer einfanden, er¬
schienen gleichzeitig die deutschen Kaufleute, so daß ein lebhafter
Marktverkehr entstand, der sich nicht bloß auf den Abschluß von
Heringslieferungen erstreckte, sondern die Deutschen stellten eben