88 Der Kamm des Gebirges und das Hügelland der Elster und Mulde.
auch einen Tiergarten an. Unter seinen Bürgern fühlte er sich heimisch;
daher besuchte er sie oft, von einem kleinen Mohren und einer Dogge begleitet,
in ihren Werkstätten, und besonders mit den Bergleuten — denn um Wolken¬
stein wurde damals noch ansehnlicher Bergbau getrieben — verkehrte er gern,
fuhr auch manchmal in Bergmannskleidern mit ihnen an. Oft mußte ihn seine
Gemahlin, Katharina von Mecklenburg, daran erinnern, die fürstliche Würde
nicht zu sehr zu vergessen. Bei seinen Erzgebirgern war er daher auch außer-
ordentlich beliebt, sie nannten ihn nur den guten Heinz, und noch heute führt
ein Gut an der Stelle, wo die Straßen von Wolkenstein nach Lengefeld und
von Marienberg nach Zfchopau sich schneiden, den Namen Heinzebank. Doch
konnte er auch streng sein, wo es nötig schien. Zur Zeit der Bauernunruhen
ließ er im Wolkensteiner Schloß zwei rebellische Bergleute spießen und im Dorfe
Schönbrunn jenfeit der Zschopau einer Anzahl Bauern die Köpfe abschlagen.
Nach seinem Tode wurde das Schloß der Witwensitz seiner Gemahlin; auch
Kurfürst August und Johann Georg I. suchten es der Jagd wegen gern ans.
Das Städtchen Wolkenstein hat 2300 Einwohner, die an der Posamenten-
fabrikation teilnehmen und vor allem viel Schuhmacherwaren liefern; außer
Zwönitz ist es die einzige Schuhmacherstadt des Erzgebirges.
In einer halben Stunde erreicht man von der Stadt aus das Wolken-
steiner Warmbad, welches nordöstlich in einem Seitenthale der Zschopan
liegt und die wärmste Quelle Sachsens (30° C.) besitzt, die besonders gegen
Rheumatismus mit günstigem Erfolge angewendet wird. Um sie vor „wilden
Wässern" zu schützen, hat sie sehr tief gefaßt werden müssen und wird nun
durch ein Hebewerk nach dem Badehause geleitet, verliert aber dadurch sehr an
Wärme und muß daher vor dem Gebrauche noch einmal künstlich erwärmt werden.
Ursprünglich hieß das Bad „das warme Bad zu unsrer lieben Frauen auf dem
Sande", und zwar nach einer längst verschwundenen Kapelle, die, schon im
14. Jahrhundert entstanden, der „heiligen Marie auf dem Sande" geweiht war.
Schon zu jener Zeit war es bekannt, aber erst seit 1542 kam es mehr in Auf-
nähme, uud seit 1791, wo die Königin Amalia Augusta es gebrauchte, wurde
es auch in weiteren Kreisen bekannt.
Etwa 6 km nördlich von Wolkenstein erweitert sich das bisher enge Zschopau-
thal zu einem kleinen Kessel, in den aber von der rechten Thalseite ein Felsen-
rücken hereinragt, der die Zschopau zu einer sehr schmalen Schleife zwingt und
nicht bloß in der Neuzeit von der Eisenbahn durchschnitten, sondern schon seit
dem 16. Jahrhundert mittels eines Stollens durchtunnelt ist, durch den ein
Mühlgraben das Wasser des Flusses zwei Mühlen zuführt, zu welchen sich in
nnserm Jahrhundert noch das Riesengebäude der Baumwollenspinnerei von
Fiedler und Lechla gesellt hat. Der Sage nach soll diesen Mühlgrabenstollen
ein Bergmann ausgehauen haben, der wegen einer schlimmen That auf Tod
und Leben gefangen saß und sich durch diese Arbeit vom Galgen rettete.
Auf dieser Felsenrippe liegt malerisch das Schloß Scharfenstein, dessen
runder Wartturm ein Rest der ältesten Burganlage ist, während die übrigen
Teile des Schlosses aus dem 16. Jahrhundert stammen; die alten Gefängnisse,
die Keller und beinahe sämtliche Grundmauern sind in den Felsen gehaueu.
Nachdem es seine Herren öfters gewechselt hatte, kam es 1427 in die Hände