10 Der Kamm des Gebirges und das Hügelland der Elster und Mulde.
ganzen bescheiden, Landschaftsbilder in höherem Stile finden sich selten und sind
weit voneinander entfernt. Wer aber die Mühe nicht scheut, sie aufzusuchen,
wird reichlich belohnt, und wer sich liebevoll in die Betrachtung der Landschaft
versenkt, entdeckt an ihr Züge von mancherlei Art, die ihn erfreuen.
Im oberen Vogtlande sind größere Flächen von Wäldern bedeckt,
unter denen der Schönecker und der Auerbacher Wald die größten sind. In den-
selben führt der Nadelbaum das Zepter und prägt im Verein mit der geringen
Modellierung des Bodens der Landschaft einen Zug des Eintönigen, Düsteren
und einer gewissen Armut auf, welchen die zahlreichen Sumpf- und Moorwiesen
nicht zu bannen vermögen. Um so freundlicher ist der Eindruck, den einzelne
hochliegende Ortschaften machen, die wie Inseln im Waldmeere schwimmen und
deren zerstreute Häuser weithin im Sonnenglanze leuchten. In die sanften
Formen bringen auch die Felsgipfel und Felskämme von Thonschiefer einige
Abwechselung, die hier und da hervorragen und die Phantasie unwillkürlich anregt.
So erhebt sich mitten aus dem Städtchen Schöneck der 747 m hohe Friedrichstein,
der Anfangspfeiler einer ganzen Reihe von Klippen, welche sich mit einigen Unter-
brechnngen in nordnordöstlicher Richtung von hier über Falkenstein bis in die
Gegend von Auerbach hinzieht. Die zackigen Formen dieser Felsen heben sie scharf
von ihrer Umgebung ab, aus der sie teilweise in steilen Wänden aufsteigen. Die
Krone gebührt in dieser Reihe dem Wendelstein südlich von Falkenstein, dessen
sehr zerklüftete Felsmassen wild durcheinander geworfen und vielfach durch Blitz-
strahl zerrissen worden sind. Mit diesen Gebilden wetteifert der Hohe Stein,
östlich von Markneukirchen, nahe der Grenze auf böhmischem Boden gelegen.
Wer ohne Ahnung dessen, was ihn erwartet, von Graslitz an der Zwota über die
einförmigen Höhen nach Westen wandert und dann plötzlich diesen Felsenkamm aus
der Ferne erblickt, ist erst lange im Zweifel, ob er ein Gebilde der Natur oder die
Ruiuen einer mächtigen Burg vor sich hat; kommt er aber in die Nähe, so nehmen
einzelne Teile bestimmte Gestalten an, und es fällt ihm nicht schwer, in ihnen
das Schiff, das Gesicht, den Schnabel, das Thor und andre Figuren zu erkennen.
An der böhmischen Grenze sondern sich auch die Berge mehr von ihrer
Umgebung, und in Kuppelform erheben sie sich von den Rücken, welche zwischen
den verschiedenen Thälern hinziehen. Hierher gehört der gegen 750 m hohe
Kapellenberg im südlichsten Winkel des Vogtlandes, wie ein Pfeiler an den
Rand nach dem breiten Egerthale hin gestellt, aus welchem dieser Granitgipfel
unmittelbar emporsteigt. Hier schweift der Blick über die tief unten liegenden
gesegneten Fluren des Egerlandes hinüber zu den Karlsbader Bergen und
nach den blauen Höhen des Fichtelgebirges, nach Norden zu den heimatlichen
Wäldern. Ein granitner Rücken ist auch der Aschberg (925 in), über den
nordnordöstlich von Klingenthal die sächsisch-böhmische Grenze zieht.
Ostnordöstlich von Schöneck und südöstlich von Falkenstein ragt in einem
schmalen Gebiet von Glimmerschiefer aus dem dunklen Wipfelmeer zwischen dem
Schönecker und Auerbacher Wald der Schneckenstein hervor, ein isolierter,
etwa haushoher Felsen von weißgrauem, zerfressenem Aussehen, aus harter,
von Tnrmalin streifig durchzogener Quarzmasse bestehend. Durch einen Spalt
ist er in zwei Teile zerrissen, und diesen muß man überschreiten, nachdem man
auf den in den Stein gehauenen Stufen den Felsen erstiegen hat, wenn man
der Aussicht wegen den höchsten Punkt erreichen will. Doch ist es weniger der