Das sächsische Vogtland. 13
Grünstein durchsetzt und zuweilen von Granit durchbrochen. Jener bildet an
den Thalseiten schroffe und kühne Formen, dieser verleiht der Gegend sofort
eine belebende Mannigfaltigkeit der Formen und des Kleides, indem einzelne
Berge regellos verstreut sind, welche hier und da von Felsen gekrönt werden, und
zwischen denen Nadel- und Laubwald. Wiesen und Teiche in reizender Mischung
vor uns liegen. Auch Felskämme, wie im oberen Vogtlande, treten häusig auf,
besonders im Westen. Zu diesem Wechsel von schroffen und sanfteren Formen,
von Wald, Wiese, Feld und einzelnen Baumgruppen gesellen sich überall die
Spuren einer gesteigerten menschlichen Thätigkeit. In kurzen Zwischenräumen
treffen wir auf Städte und Dörfer mit zahlreicher Bevölkerung, die im Dienste
der Industrie die fleißigen Hände regt; über die Höhen und durch die Tiefen
ziehen die Straßen ihre Linien, und der Schienenweg überwindet in kühnen
Bauten alle Schwierigkeiten, die ihm die Bodengestalt in den Weg legt. Kirchen,
Schlöffer und Burgen winken uns von den Höhen freundlich zu, und Ruinen
ragen als Reste früherer Jahrhunderte in die lebendige Gegenwart herein.
Dazu kommen die Thäler, in denen bald saftige Wiesengründe und schattige
Wäldchen völlige Einsamkeit und Ruhe darbieten, bald wilde und sonderbare
Felsgestalten und rauschende Gewässer die Besucher in Scharen herbeilocken.
Alles das sind meist kleine Züge in dem landschaftlichen Charakterbilde des
Vogtlandes; aber sie wecken doch unser Interesse sür diese Gegend des Heimat-
landes, und dasselbe wächst noch, wenn wir der Arbeit der Bevölkerung
unsre Aufmerksamkeit zuwenden. Im oberen Vogtlande, besonders in den
sogenannten Waldorten, stehen die Bewohner heute noch, wie früher, in Lebens-
weise und Beschäftigung in enger Beziehung zum Walde. Holzfällen, Pech-
und Rußgewinnung im Walde selbst und die Verarbeitung des Holzes im
Hause beschäftigen viele Hände.
Die Pechsiederei wurde früher, wie uns in Engelhardts Vaterlands-
künde mitgeteilt wird, gleich dem Bergbau von Gewerkschaften betrieben, deren
Anteile Pechkuxe hießen, jetzt nur noch von den Waldbesitzern selbst, und zwar
in geringerem Umfange als früher, weil man mehr auf Schonung der Bäume
bedacht ist. Im Frühjahr geht der Pechsteiger, wie der Aufseher über diese
Art der Ausnutzung des Waldes genannt wird, in den für das betreffende Jahr
dazu bestimmten Walddistrikt und bezeichnet die Bäume, welche „gerissen" werden
sollen. Deren Rinde wird mittels eines zwei Finger breiten Eisens in der Art
teilweise entfernt, daß zwischen den Rissen noch eine Hand breit unbeschädigt
bleibt, damit der Baum nicht absterbe. Gegenwärtig dürfen nur solche Bäume
gerissen werden, die in den nächsten zehn Jahren zum Abtrieb kommen. Aus
den Rissen quillt das Harz hervor, erhärtet an der Luft, wird im Herbste ab-
gekratzt und in die Pechhütten gebracht, wo man es in kupfernen Kesseln siedet
und dann in ein Sieb schüttet. Aus diesem läuft „der" Pech, wie der Vogt-
läuder sagt, in darunter gestellte Kisten, die als Form dienen, so daß man feste
Pechstücken von gleicher Größe und gleichem Gewicht bekommt. Die unreinen,
im Kessel nicht zum Schmelzen gelangten Harzmassen, die sogenannten Pech-
griefen, bleiben nebst Rindenteilchen, Moos u. dergl. im Siebe zurück und werden
in trichterförmigen, aus Steinen errichteten Pechöfen weiter verarbeitet. Man
zündet sie an, und dabei fließt das noch in ihnen enthaltene Pech durch eine im
Boden befindliche Öffnung ab, unter welcher es sich in Kuchenform fammelt.