Full text: Bilder aus dem sächsischen Berglande, der Oberlausitz und den Ebenen an der Elbe, Elster und Saale (Bd. 7)

24 Der Kamm des Gebirges und das Hügelland der Elster und Mulde. 
sind die Rockenstuben noch immer nicht „gäntzlich abgeschafft", wie in jenem 
Jahre befohlen wurde. Der Geselligkeitstrieb verlangt auf dem Lande noch mehr 
als anderswo seine Befriedigung, und da man nicht öffentlich zusammenkommen 
darf, trifft man fich eben heimlich. Volksfitten lasfen sich einmal nicht durch einfache 
Gesetzesvorschriften beseitigen. Übrigens ist die Handhabung des Verbots eine 
ganz verschiedene: auf dem einen Dorfe wird es mit größter Strenge aufrecht 
erhalten, auf dem andern werden die Rockenstuben ganz offen abgehalten, ohne 
Belästigung von feiten der Polizei. Nach der Schilderung älterer Leute standen 
in den Rockenstuben die Spinnräder halbkreisförmig aufgestellt um den am 
Ofen befestigten brennenden Kienspan, unter welchem ein Wassergefäß zum Auf- 
fangen der herabfallenden glühenden Kohlen stand, während darüber sich der 
mächtige Lih-Hnt (Lohe-Hut) erhob, der den Rauch der Leuchte hinausleitete. 
Bei dem Schnurren der Spinnräder wurden ernste und heitere Lieder in buntem 
Wechsel gesungen, ja man stimmte wohl auch einmal ein Kirchenlied mit an: 
es wurden wohl auch rührende oder heitere alte Sagen erzählt oder Rätsel auf- 
gegeben, und wenn das Spinnen zu Ende war, so setzte man die Spinnräder 
beiseite und erfreute sich noch ein wenig am fröhlichen Tanze. — 
Zuletzt fei noch des vogtländifchen Dialekts gedacht. Derselbe gehört 
zu den mitteldeutschen Mundarten, und zwar ist er der östlichste Zweig des 
fränkischen Dialekts. Innerhalb des Vogtländischen zeigen sich wieder mancherlei 
Verschiedenheiten, z. B. spricht der Plauensche anders als der Adörfer mit feinem 
schnurrenden R; doch ist das eine Erscheinung, welche sich bei allen Dialekten zu 
wiederholen pflegt. In dem Reichtums der grammatischen Formen in Deklination 
und Konjugation bleibt zwar das Vogtländische hinter der Schriftsprache zurück; 
doch zeichnet es sich vor dieser gleich andern Dialekten dadurch aus, daß es sich zahl- 
reiche Laut- und Wortformen und Konstruktionen aus früheren Zeiten der Sprach- 
bildnng erhalten hat, die jener längst verloren gegangen sind. Die Schriftsprache 
kann den Tauben, welcher nicht hören kann, nicht unterscheiden von den Tauben, die 
im Taubenschlage sitzen; beim Vogtländer dagegen heißt der Vogel „Taub", 
und wer nicht hören kann, ist „taab". Für „gehütet, verschüttet" sagt er viel 
wohlklingender „geHütt, verschütt", und mit Beharrlichkeit wiederholt er in der 
Schule zur Verzweiflung der Lehrer: „Ich gib, ich nim, ich sieh." Er spricht 
zwar „mei, bei", aber „Staa, Baa" statt „mein, dein, Stein, Bein". Es sind 
wohlklingende alte Wortformen, wenn die Leute sagen: „Gestern Haan ich das 
gemacht, doo stehn ich." Auch solche Wörtchen, die häufig scheinbar überflüssig 
eingeschoben werden, haben ihre Bedeutung, wie „halt" oder „Haltich" (halte 
ich, d. h. ich halte dafür, ich meine), „lacht" (vielleicht), „oft" (just, gerade), 
„maa" oder „meech" (meine ich). In der Ölsnitzer Gegend werden noch, wie 
im Altdeutschen, in den Formen „zwie" und „zwno" die Geschlechter für „zwei" 
unterschieden. Im oberen Vogtlande hat man für die Fürwörter „euch, euer" 
die Ausdrücke „enk, enker", und das soviel gebrauchte „a fötter" ist entstanden 
ans dem früher gebräuchlichen Ausdruck „ein fothaner", d. i. ein so beschaffener. 
Auf die Frage: „Trinkst du Bier?" antwortet der Vogtländer: „Ich trink 'sen", 
d. h. ich trinke dessen — auf die Frage: „hast du Äpfel?" heißt es: „Ich hoo 
ere", d. h. ich habe ihrer. 
Auch in feinem Wortschatz hat der Vogtländische Dialekt manche alte Formen 
treuer bewahrt als die Schriftsprache. Es ist ganz richtig, wenn es bei ihm
	        
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