Full text: [Teil 5 = [7. u. 8. Schuljahr], [Schülerband]] (Teil 5 = [7. u. 8. Schuljahr], [Schülerband])

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und genugsam in lateinischer oder andern Sprachen reden mag, das 
also dringe und klinge ins Herz, durch alle Sinne, wie es iut in 
unsrer Sprache. 
Und was soll ich viel und lange sagen von Dolmetschen? Sollte 
ich aller meiner Worte Ursachen und Gedanken anzeigen, ich müßte 
wohl ein Jahr dran zu schreiben haben. Was Dolmetschen für Kunst 
und Arbeit sei, das hab' ich wohl erfahren. Soll's gemeistert werden, 
so will ichsss selber tun; wo ich's selber nicht tu', da lasse man mir 
mein Dolmetschen mit Frieden und mache ein jeglicher, was er will, 
für sich selbst und habe ihm ein gut Jahr. 
23. Aus einem Briefe Gellerts an 
von Schönfeld. 
Fräulein Erdmute 
Christian Fürchtegott Gellert. Gellert und Rabener. Sechs Briefe. Straßburg. 
1763 S. 1. 
Gnädiges Fräulein! 
Ihr Leibarzt, Herr Kadelbach, hat mir versichert, daß Sie wieder 
in der Lage wären, einen Brief von mir zu lesen, und dieses ist mir 
schon genug, einen zu schreiben. Aber womit werde ich Sie unter— 
halten? Gnädiges Fräulein, mit Ihrer ausgestandenen Krankheit? 
das wäre sehr grausam! mit meinen Vorlesungen? das wäre noch 
grausamer! Nein, mein Brief soll ein kleines Kriegstagebuch aus 
dem schwarzen Brette enthalten: denn ich weiß doch, daß Sie gütig 
genug sind, an meinem Schicksale teilzunehmen. 
Den 18. November ließ sich ein Husarenleutnant von dem Ge— 
folge des Generals Malachowsky sehr ungestüm bei mir melden. „Der 
Gewalt,“ dachte ich, „kann niemand widerstehen. Fasse dich und nimm 
den Besuch an; es begegne dir auch, was da will!“ Sogleich trat 
ein hagerer, schwarzer Mann mit drohenden Augen, kotigen Stiefeln 
und blutigen Sporen hastig auf mich zu. Sein gelbes Haar war in 
einen großen Knoten und sein Bart in etliche kleine geknüpft. Mit 
der linken Hand hielt er seinen fürchterlichen Säbel und in der rechten 
(den Arm mit dazu genommen) den Rock, ein Paar Pistolen, die 
Mütze und eine Karbatsche, mit Draht durchflochten. „Was ist zu 
Ihrem Befehl, Herr Leutnant?“ fragte ich mit Zittern an. „Haben 
Sie Order, mich zu arretieren? Ich bin unschuldigl“ — „Nein, mein 
Herr! Sind Sie der berühmte Bücherschreiber und Professor Gellert?“ —
	        
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