Full text: Bilder von den deutschen Nordseeküsten und aus dem westlichen Tiefland (Bd. 10)

88 Die Elbe und ihre Ufer von Hamburg bis zur Mündung. 
hat gekämpft und geblutet für feine Unabhängigkeit, wenn auch mit weniger 
Glück als manche seiner Nachbarn; denn während die-übrigen Marschen noch 
lange sich ihrer Freiheit erfreuten, mußte Kehdingen schon fremde Oberherr- 
schast über sich dulden. Bereits im 11. Jahrhundert bildete es einen Teil der 
von Heinrich dem Vogler gegründeten Markgrafschaft Stade. Durch Erzbifchof 
Hartwich I., der zugleich der letzte der Stader Markgrafen war, wurde es mit 
dem bremischen Erzstist vereint, und um sich Kehdingen gehörig zu sichern, 
erbaute er 1154 die erste Burg im Lande zu Freiburg. — Doch nicht lange 
sollte diese Zwingburg das Land beherrschen; denn 1177 zog Heinrich der 
Löwe von Braunschweig, der Hartwich feindlich gesinnt war, gegen Stade, 
eroberte die Stadt und zerstörte darauf auch die Burg und befreite die Keh- 
dinger vom Bremer Joch. 
Die Erzbischöse von Bremen konnten jedoch den Verlust Kehdingens nicht 
verschmerzen, und als schließlich 1216 und 1236 durch Verträge die Mark- 
grafschaft Stade für immer an das Bremer Erzstift siel, strebten sie aufs 
eifrigste danach, die üppige Kehdinger Marsch unter ihre Botmäßigkeit zu 
bringen. Lange blieben die deshalb geführten Kämpfe erfolglos, bis es schließ- 
lich Gieselbert gelang, sich den Besitz des Landes zu sichern, freilich auf eine 
schmachvolle, hinterlistige Weise. Nach Freundschaftsbezeigungen mancherlei 
Art den Kehdingern gegenüber schrieb er ein glänzendes Turnier nach Stade 
aus, wozu auch'alle ersten Bauern der Marsch geladen wurden. Vertrauens- 
voll erschienen denn auch diese, um den ritterlichen Kampfspielen zuzusehen, 
ohne Wehr und Waffen, und das Turnier nahm seinen Anfang. Als die 
Kampfspiele in vollem Gange waren, ertönte plötzlich ein Signal, und im Nu 
sielen die Ritter über die Bauern her. Ein furchtbares Gemetzel begann, und 
in kurzer Zeit lag der Kern der Kehdinger in ihrem Blute. Darauf fielen die 
bewaffneten Massen in die Marsch ein und hatten nun ein leichtes Spiel, da 
die Blüte der Bauern beseitigt war. Mit den Höfen der gemordeten Bauern 
beschenkte Gieselbert seine edlen Kämpfer. — Das war das blutige Turnier 
zu Stade im Jahre 1300, das allerschmachvollste Blatt in der ganzen Ge- 
schichte des Bremer Erzstifts. 
Noch einigemale versuchten es die Kehdinger, das verhaßte Joch abzu- 
werfen. So zerstörten sie z. B. die Zwingburg „Kiek in de Elv", aber ihre 
Kraft war gebrochen und sie wurden jedesmal besiegt; doch konnten letztere erst 
im 15. Jahrhundert sich des ruhigen Besitzes dieser Marsch erfreuen, der von 
da an weder von innen noch von außen bekämpft wurde. 
Wersen wir noch einen Blick auf Stade, einstige Hansastadt und Haupt- 
stadt des gleichnamigen Markgrafentnms. An der durch den üppigsten Wiesen- 
grund sich windenden kleinen Schwinge gelagert, umgeben von zum Teil 
malerischen Bodenschwellungen, den „schwarzen Berg" mit seinen dunklen 
Tannen im Rücken, gewährt die Stadt einen schönen Anblick. Vor ihr in kurzer 
Entfernung glitzern die Wasser der Elbe, und rechts und links breiten sich zwei 
prächtige Marschen aus, hier das „alte Land", dort das „Land Kehdingen". 
Weniger anziehend ist das Innere der früheren kleinen Festnng. Die ältesten 
Bauwerke sind ein Raub der Flammen geworden und die neueren bieten wenig 
Interesse, ebenso die Geschichte der Stadt.
	        
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