140 Der Jahdebusen und Wilhelmshaven.
Die Stadt Wilhelmshaven, die sich allmählich hier ausbaute und die
innerhalb der letzten 15 Jahre um mehr als 10 000 Einwohner (gegenwärtig
circa 12 000) zugenommen hat, trägt ganz den Charakter der neugebauten
Städte. Eine Zierde derselben ist die in den Jahren von 1869—72 von
Geh. Rat Adler in Berlin erbaute gotische Kirche, ein Backsteinrohbau mit einem
55 in hohem Vierungsturm. Erwähnenswert ist ferner das nordöstlich von der
Stadt gelegene Observatorium, mit Zeitball, sowie das rote Schloß. Zur Lieferung
des nötigen Trinkwassers sind zwei artesische Brunnen von 200 und 180 in Tiefe
gebohrt, aus denen das Wasser durch Gaskraftmaschinen gehoben wird. Da die-
selben jedoch nicht genügend Wasser liefern, ist 1877 eine 13 km lange Wasser¬
leitung ausgeführt, welche das Wasser bei Feldhusen aus Brunnen mittels Dampf-
Maschinen entnimmt und durch eine eiserne Druckrohrleitung nach Wilhelmshaven in
ein auf einem backsteinernen Wasserturm stehendes schmiedeeisernes Reservoir von
8 cbm Inhalt drückt. Von hier verzweigt sich das Wasser durch die ganze Stadt.
Die deutsche Flotte. „Wer die See beherrscht, beherrscht den Handel;
wer den Handel der Welt beherrscht, beherrscht auch die Reichtümer derselben
und folglich die Welt selbst", so lautet das stolze Wort des berühmten Sir Walter
Raleigh, des Zeitgenossen der Königin Elisabeth von England, das ein neuerer
Geschichtschreiber wie folgt deutet: „Wer keinen Teil hat an der Seeherrschaft,
hat keinen Teil am Welthandel. Wer keinen Teil am Welthandel hat, der hat
auch keinen Teil an den Reichtümern der Welt und an der Macht, welche diese
gewähren." — Gewiß ist dies ein gewichtiges Wort, das zu allen Zeiten einer
gründlichen Erwägung wert war, und doch zeigt uns ein Blick in die Geschichte,
daß dem nicht so war. Wie wäre es sonst möglich gewesen, daß in früherer Zeit
im Deutschen Reiche so wenig zur Gründung einer Flotte geschehen ist? Denn
die deutsche Marine besteht als solche erst seit dem Jahre 1871, dem Zeitpunkte
der Vereinigung der deutschen Staaten. Doch wie überhaupt bei der früheren
Zerrissenheit des Deutschen Reiches ein gemeinsames Handeln nur schwer zu er-
möglichen war, so konnte auch nicht gut an die Gründung einer deutschen Flotte
gedacht werden. Zwar hat Preußen zur Zeit des Großen Kurfürsten bereits
eine Flotte besessen, die jedoch unter den Nachfolgern ganz in Verfall geriet.
Als nämlich Pommern an das brandenburgijche Haus fiel (1637), war
Friedrich Wilhelm sofort aus die Herstellung des Seehandels und einer See-
macht bedacht; allein die Rückgabe der besten Teile Pommerns nach dem West-
fälischen Frieden (1648) nötigte zum Aufgeben dieser Pläne. Im Herzogtum
Preußen ließen sich dieselben wegen der obwaltenden Abhängigkeit von Polen
ebensowenig ausführen. Trotz dieser bedeutenden Mißstände ließ sich Friedrich
Wilhelm nicht abhalten, 1647 den Antrag des holländischen Admirals Liers
und andrer reicher holländischer Kaufleute, eine Ostindische Handelsgesellschaft
unter seinem Schutz und Namen zu errichten, anzunehmen.
Die größten Schwierigkeiten dabei bestanden in dem Aufbringen der
dazu erforderlichen Mittel; denn weder vermochte die Mark dazu beizusteuern,
noch zeigte sich Königsberg willfährig; letzteres weigerte sich sogar bestimmt,
die geringste Beisteuer zu zahlen. Die Kriege, in welche sich der Kurfürst im
Laufe der nächsten Jahre verwickelt sah, machten die Aufnahme und Reali-
fieruug des Schiffahrtsprojektes fast unmöglich; doch gab der in allen Dingen