150 113. Die wunderbare Brücke. — 114. Winternacht.
Scharen. — Fast jeder Morgen zeigt uns neue Werke
des Frostes von mannigfaltigen Gestalten und Farben,
die er in der stillen Nacht verfertigte. Unsere Fenster¬
scheiben sind mit zierlichen Eisblumen überzogen. Das
Dach ist mit silbernen Eiszapfen umhangen. Die von
Felsen herab flies senden Regenströme haben ihren Lauf
vergessen und bilden an den Wänden, an welchen sie
sich ergossen, lange, weifse Säulen, die dem Auge ent¬
gegenschimmern. Dann tönt die Erde unter dem Schritte
der Reisenden, und jeder Schall bricht heller durch die
kalte Luft. Vergebens senken sich die Strahlen des
Mittags auf die versteinerte Erde herab; kaum fühlt sie
die schwache Berührung des erwärmenden Lichts. Und
wenn auch das Thal auf einige Stunden seine Härte er¬
weichen zu lassen scheint, so wiederholt doch bald der
Frost sein kaltes Blasen und zwingt das, was die milde
Sonne aufgelöst hatte, wieder unter seine rauhe Herrschaft.
(L. Hirschfeld.)
113. Die wunderbare Brücke.
Kennst du die Brücke ohne Bogen
Und ohne Joch, von Diamant,
Die über breiter Ströme Wogen
Errichtet eines Greises Hand?
Er baut sie auf in wenig Tagen,
Geräuschlos, du bemerkst es kaum.
Doch kann sie schwere Lasten tragen
Und hat für hundert Wagen Raum.
Doch kaum entfernt der Greis sich wieder,
So hüpft ein Knabe froh daher.
Der reifst die Brücke eilig nieder;
Du siehst auch ihre Spur nicht mehr. (Schiller.)
111. Winternacht.
Wie ist so herrlich die Winternacht! Es glänzt der
Mond in voller Pracht mit den silbernen Sternen am