170 Die Umgebungen der Hauptstadt.
1573 war der Theil, welcher auf der Schloßinsel nördlich liegt, abgezweigt
und hier unter Kurfürst Johann Georg durch den Schöuburg'scheu Gärtner
Desiderius Corbinianns der heutige Lustgarten angelegt worden.
Der Große Kursürst that nun zuerst wieder etwas zur Erhaltung und
Verschönerung des Thiergartens. Wir haben früher erzählt, wie die Kurfürstin
Dorothea die Straße „Unter den Linden" anlegte und selbst im I. 1681 den
ersten Baum pslanzte. Allerdings muß es mit dieser Straße noch lange abson-
derlich ausgesehen haben; im Winter 1705 erfroren die Lindenbäume sämmtlich,
und bereits Kurfürst Friedrich HI. hatte eine scharfe Verordnung im I. 1690
ergehen lassen müssen, daß die Bürger ihre Schweine „Unter den Linden" besser
einpferchten, weil diese durch ihr ungenirtes Wühlen die nengepslanzten Bäume
beschädigten.
Eine breite Allee führte zn dem Brandenburger Thore hinaus nach der
Liehenburg; aber von einer Wegebefestignng war keine Rede. Unser er-
wähnter Gewährsmann weiß mit gutem Humor von einer Spazierfahrt vom
Brandenburger Thore nach Charlottenbnrg, welche er als Fußgänger begleitete,
zu berichten: „So ziemlich hielt ich mit den Pferden gleichen Schritt, denn ob-
gleich vier nach berlinerischer Art gute Pferde vorgespannt waren, so ging es doch
ziemlich langsam. Tie besten Miethpserde sind in Berlin abgetrieben und
machen gegen sächsische wahrlich keine sonderliche Figur. Das kaun auch nicht
anders sein. Selten haben die armen Geschöpfe einen ganzen Nachmittag oder
eine ganze Nacht ununterbrochene Ruhe. Doch war auch der viele Saud, der
von Berlin bis Charlottenbnrg liegt, eine beträchtliche Ursache."
Jetzt legt der Pferdebahnwagen die Strecke in 25 Minuten zurück, zu der
man damals im Jahr 1779 fünf und eine halbe Stunde, also die Zeit brauchte,
während welcher man mit dem Kourierzng von Berlin nach Hainburg fährt.
Dennoch lag eine tiefe Naturpoesie über dem malerischen Walde und begeisterte
den empfindsamen Reisenden zu folgenderAeußeruugi „Eine der ausgesuchtesten
Gesellschaften, ein wonnevoller Tag, Scherz, Lustigkeit und ein munterer Ein-
fall nach dem andern — Charlottenbnrg — der Thiergarten — da möcht' ich
wol den milzsüchtigsten Briten auffordern, ob er nicht seinen Spleen wenig-
stens an diesem Tage vergessen würde?" — von Raumer, dem wir eine trefs-
liche Schilderung des Thiergartens vom Jahre 1839 verdanken, äußert sich
aus noch späterer Zeit ähnlich.
„Aus den tiefen Sandwegen, die, mit Ausnahme der Charlottenburger
Chaussee, durch den Thiergarten führten, sah man nur feiten einen Wagen
dahinschleichen; dafür wurden die Wanderer indessen nicht durch Wagengerassel
gestört oder durch den Chansseestanb belästigt, und die geräuschlose Stille ward
zumal des Vormittags nur durch das Rufen des Kukuks oder den Gesang
zahlreicher Singvögel unterbrochen. Betrat man den Thiergarten vom Bran-
denbnrger Thore aus und wendete man sich links, so sah es am Eingang wol
etwas wüst aus und der unaufmerksame Fußgänger stolperte leicht über die
Wurzeln der Tannenallee, welche ihre glatten Nadeln weit umherstreute. Drang
man aber tiefer ein, so hatte man den Genuß eines natürlichen Waldes; selten
zeigte eine morsche Bank die Spur einer Menschenhand, bis irgendwo eine Herr-
liche Allee sich ausbreitete und daran erinnerte, daß man sich im Thiergärten
befand. Hatte man sich im dichten Unterholz und Moose gelagert und ausgeruht