Full text: Bilder aus der Mark Brandenburg, vornehmlich der Reichshauptstadt (Bd. 9)

Die Liutizen. 435 
Nicht gelten von den Sorbenwenden jene glänzenden Schilderungen, 
welche uns von den deutschen Schriftstellern über die Wenden an der Ostsee 
und ihre Tempelstätten Arkona, Carenz uud Rhetra, sowie ihre volkreichen 
Städte, wie Jumne und Stettin, gemacht werden; ja, wir wissen nicht einmal, 
ob bei den wendischen Lausitzern dieselben Götter verehrt worden sind, welche 
wir bei den meeranwohnenden Pommern oder bei den Hevellern an der Havel 
finden. Bezeugt ist für die Lausitz unseres Wissens nur der Dienst der kleinen 
Hausgötter, der des Lichtgottes Jutrebog und der der Todesgöttin Morzana, 
vielleicht auch der des Podaga und der Siwa, der Gottheiten des Feldes 
und der Fruchtbarkeit. Der Leib der Todten ward, wie uns die vielfach 
auch in der Lausitz vorhandenen Urnenkirchhöfe bezeugen, den Flammen über- 
geben. Die Todtenurnen, in welchen man häufig Münzen aus dem fernen 
Morgenlande gefunden hat, belehren uns über den ausgedehnten Handel der 
Wenden. Der goldstrahlende Bernstein, die duftende Gabe der Ostsee, und die 
alten byzantinischen Münzen mitten unter slavischer Asche zeigen uns, daß die 
Küsten der Ostsee mit den Gestaden des Schwarzen Meeres durch Handelsstraßen 
verbunden gewesen sind, welche sich durch die Lausitz hinzogen. 
Alljährlich ward, so berichten uns neuere Forscher, den Verstorbenen ein 
feierliches Opfer gebracht. Wann die ersten Frühlingslüfte die erstarrte Natur 
zu neuem Leben riefen, dann zogen die Sorbenwenden der Lausitz hinaus auf 
den geheiligten Platz, auf welchem die Leichenfackel den Scheiterhaufen der An- 
gehörigen entzündet hatte. Gewiß werden Klagelieder über den aschengefüllten 
Urnen angestimmt worden sein. Ein freudiges Fest war das Erntefest, welches 
für alle einst slavischen Gaue bezeugtest. Unter jubeludem Danke brachte man 
den Göttern die Erstlinge des Feldes dar; mnnter kreiste der Becher und froh- 
liche Lieder ertönten. Eine Probe derselben hat Herder in seinen „Stimmen 
der Völker" mitgetheilt. Der Anfang des harmlosen Liedchens lautet: 
„Wer soll die Braut sein? Ich bin ein häßlich Ding, 
Eule soll Braut sein. Kann nicht die Braut fein! 
Die Eule sprach Ich kann nicht die Braut sein!" 
Zu ihnen hinwieder, den Beiden: 
Noch klingen solche Lieder in der Lausitz fort und fleißige Hand hat sie ge- 
sammelt. Die Nachkommen der alten Liutizen aber sterben allmählich aus. 
In Muskau herrschte früher die Sitte, daß die wendischen Brautpaare am 
Morgen des Hochzeitstages in das sogenannte „Wäldchen" hinausgingen und 
hier zwei Eichen neben einander pslanzten. Diese waren Sinnbilder des Lebens 
und des Liebesbundes der Verlobten, und wte der Baum wuchs und gedieh 
oder erkrankte uud einging, so glaubte man, wachse oder schwinde auch das 
Glück Dessen, der ihn gepflanzt habe. Noch grünen diese Eichen im Busche bei 
Muskau; — wie lange aber noch wird es dauern und das dürre Laub der 
Bäume wird zur Herbsteszeit hinflattern über die Gräber der letzten Nach- 
kommen jener wendischen Helden, welche einst mit so rühmlicher Tapferkeit dem 
großen Grafen Gero uud dem kühnen Wiprecht von Groitzsch widerstanden! 
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