106 Das Alpengebirge.
Um das Geschütz über die Berge zu schaffen, wurden die Röhre in ausgehöhlte
Baumstämme gelegt uud so fortgeschleift, die Laffetteu den Manlthieren auf-
geladen. Das den Ausgang des Passes sperrende Fort Bard bei Aosta wurde
mittels eines in die Felsen gehaueneu Stufenweges umgangen.
Napoleon I. faud inmitten des Kriegsgetümmels uoch Zeit, um acht
größere Fahr- und Heerstraßen über die Alpen theils neu zu bauen, theils zu
verbessern und zu erweitern. Sein Neffe, Napoleon III., fand bei seinem
Kriege gegeu Oesterreich 1859 die von jenem kunstvoll ausgebauten, breiten
Straßen über den Mont Cenis und Mont Genevre vor, aus welchen ein Theil
seiner Armee, ohne auf Schwierigkeiten zu stoßen, nach Italien hinabzog, wäh-
rend der Hanpttheil zu Schiffe von Toulon uach Genua befördert wurde.
Die Hauptstraßen über die Alpen. Der menschliche Geist fand mit der
Zeit immer mehr Mittel, um die gigantischen Hindernisse der Natur zu über-
wiudeu. Die Kriegspläne der Eroberer und der friedliche Verkehr der Völker
untereinander halfen dasselbe Ziel fördern. An Stelle der gefahrvollen Saum-
pfade, die neben stürzenden Waldbächen an schroffen Felshängen hinführten und
auf denen kaum ein Rad sich bewegte, — denn die Wagen wurden vielfach am
Fuße der eigentlichen Paßhöhe auseinander genommen uud auf Maulthiereu
hinübergeschafft, — entstanden breitgebahnte uud geebnete Kunststraßen uiid
Eisenbahnen zur Förderung des Völker- und Weltverkehrs und als Verbin-
duugswege zwischen den großen Kulturplätzen diesseit uud jenseit der Alpen, so
daß diese jetzt als das wegsamste Hochgebirge gelten können. Wenn anch die
Thore der Alpenpässe nicht auf dem Boden des deutschen Reichsgebietes liegen,
so sind doch die letzteren von solcher Wichtigkeit für den Verkehr Deutschlands
mit seinen südlichen Nachbarländern, daß wir uns der Ausgabe uicht entziehen
können, die wichtigsten derselben in den Kreis unserer Betrachtung aufzunehmen.
Wir erwähnen zunächst die Eisenbahn (Cornichebahn), welche aus der
Provence am Meeresuser entlang über Nizza nach Genua und bis Pisa
führt, das ganze Alpensystem südlich umgeht uud die französischen Küstenstädte
(Marseille, Toulon, Nizza) mit den italienischen (Oneglia, Savona, Genua)
verbindet. Dieselbe ist unter Ueberwiuduug großer Schwierigkeiten binnen
sieben Jahren erbaut worden, zum Theil tief in Vorgebirge und Felsen ein-
geschnitten und über wilde Thäler und Abgründe hinweggeführt.
Ganz auf italienischem Gebiete liegt die Straße, welche von Oneglia an
der Meeresküste über Pieve in den Lignrischen Alpen nach Camaragua ins
Thal des Tanaro hinabsteigt, weiterhin über Ormea und Mondovi führt und
sich in Coni an die Eisenbahn nach Turin anschließt.
Von Frankreich nach Italien führen über die Alpen verschiedene Straßen,
deren Münduugspuukte durch Eiseubahueu mit Turin verbunden find.
Von Nizza am Meere geht eine Straße über den Colle di Tenda nach
Simone und weiter nach Coni; hier Eisenbahnverbindung mit Turin.
Aus dem Thale der Durauce führt eine Straße von Gap über den Col
del'Argentiere nach Coni, eine andere von Mont Dauphin über den Monte
Biso nach Faluzzo im Pothale (daselbst Eiseubahnverbiuduug nach Tnrin und
nach Coni), eine dritte von Mont Dauphin über den Col de la Croix nach