196 Das Algäu.
fte zu Gaste und bitten — die Braut mit dem geschmückten Spinnrocken in der
Hand — um Hochzeitsgaben.
Bei dem Hochzeitsmahl ist das „Brutmus" unumgänglich, ein Brei aus
Milch und geriebenem Weißbrot mit Rosinen, Zucker und Zimmt. Außerdem
giebt es nur, „was Kuh und Kalb giebt". Dabei wird aber der gebratene
Kalbsschlegel so hoch in Ehren gehalten, daß sein Erscheinen auf dem Tische
von der Musik feierlich begrüßt wird, was man das „Bratesgiga" (Braten-
geigen) nennt.
Vom Hochzeitsmahle weg ziehen, noch ehe der Braten angegeigt wird,
alle Hochzeitsgäste unter Vortritt der Musikanten nach dem Hause des jungen
Eheherrn. Auf der Teuue oder dem Vorplatze bringt nun die kräftigste unter
den „Kränzljuugfern" (d. h. Brautjungfern, auch „Bestjuugferu" geheißen)
die Kunkel mit dem Rocken herbei, der zierlich geflochten, mit zierlichen Bän-
dern umwunden und mit einer Spindel besteckt ist. Andere Mädchen ergreifen
die lang herabhängenden Bänder und halten sie über den Köpfen der Gesellschaft
empor, welche paarweise darunter hindurch tanzt, worauf die Kunkel in fest-
lichem Zuge ius Wirthshaus gebracht und an der Seite der jungen Frau als
Attribut ihrer Würde aufgestellt wird. Der juuge Ehemann behält den
ganzen Tag über den Hut auf dem Kopfe, um feine neue Würde als
Hausherr anzudeuten.
Bei solchen Gelegenheiten, wie Hochzeiten und Kirchweihen, werden hier
und da noch die alten Tänze ausgeführt, deren es zweierlei giebt, — den „ge¬
raden", d. h. Ländler im Zweiviertel- und Dreivierteltakt, und den „offenen",
d. h. den immer nur von einem Paare und von jedem Partner einzeln und
frei getanzten altdeutschen Tanz mit kurzen Absätzen von zehn bis zwanzig
Takten, der mit dem oberländischen „Schuhplattler" große Aehnlichkeit hat.
Der Tänzer bewegt sich dabei in vielfachen Beugungen und wechselnden Fi-
gnren um die Tänzerin, die sich ihrerseits mit ganz kurzen Schritten und sit-
tiger Haltung in engem Kreise um sich selber dreht. Sich beim Tanze an den
Händen zu fassen, gehört zu den Ansnahmen und nur deu Schluß bildet der
wirbelnde Walzer. Im oberen Algäu ist außerdem der Fischingertanz oder
„die drei ledernen Strümpfe" sehr beliebt, welcher seine Namen von dem
Pfarrdorfe Fischen und von den Anfangsworten des Liedes hat, mit welchem
die Tänzer ihn nach einer eigentümlichen Melodie begleiten. Er wird eben-
falls nur von einem Paare getanzt und bringt eine mit schüchternem Gruße
beginnende und durch Scherz und Zärtlichkeit, sowie durch Schmolleu und
Zwiespalt endlich zu glücklicher Vereinigung führende Liebesgeschichte panto-
mimisch zur Darstellung. Der Text des dazu gesungenen Tanzliedes er-
klärt in symbolischer Weise die verschiedenen Bewegungen und erzählt den
Verlans jener Geschichte.
Von Maskenspielen, wie sie ehedem im Algäu üblich waren, haben sich noch
das „Egga" um Sonthofen und Burgberg und der „Wildmännlitanz" um
Oberstdorf erhalten. Das „Egga" stellt alle Beschäftigungen des Ackerbaues vor,
wobei eine Hexe die Hauptrolle spielt, welche die Arbeiten der Menschen stört und
bindert,— vielleicht ein Nachbild der alten Göttin Roggentrnde, der ehedem am