Neubegründung des Reiches. 41
die Verhandlungen des Bundes mit Dänemark über dessen gewaltsames und-
vertragswidriges Vorgehen in den Herzogthümern Schleswig-Holstein hin-
gezogen. Als nach dem Tode des Königs Friedrich VII. von Dänemark (I863>
dessen Nachfolger Christian IX. seine Regierung mit einem offenen Vertrags-
brnch begann, nahm Preußen, ohne sich dn^ch die schleppenden Verhandlungen
des Bundes aushalten zu lassen, als selbständige Großmacht die Vertretung
des deutscheu Rechtes und Interesses in Schleswig gegen Dänemark wahr.
Oesterreich schloß sich den Schritten der norddeutschen Großmacht an, um diese
zn verhindern, daß sie allein in den Elbherzogthümern sesten Fuß fasse. Die
Frucht ihres gemeinsamen Vorgehens und Krieges war die völlige Lostrennung.
Schleswig-Holsteins von Dänemark und die Abtretung der Herzogthümer an
Preußen und Oesterreich (1864).
Mit diesem Erfolge war jedoch die deutsche Frage ihrer Lösung nicht
näher gebracht; vielmehr entspannen sich über den Besitz und die Verwal-
tung der Herzogthümer neue Streitigkeiteu zwischen Preußen und Oesterreichs
welche die unmittelbare Veranlassung zum Kriege wurden. Als dieser uu-
vermeidlich geworden war, veröffentlichte der preußische Ministerpräsident
Graf Bismarck seinen Entwurf zur Reform des Deutschen Bundes auf den
oben angegebenen Grundlagen.
Ju einem kurzen Kriegs- und Siegeszuge (Köuiggrätz 3. .Juli 1866),
welcher die preußischen Waffen bis in die Nähe von Wie» und Preßburg führte,
entfaltete Prenßen eine von seinen Gegnern nicht geahnte Kraft und erkämpfte
sich das Recht, die deutschen Angelegenheiten nach seinem Sinne unter Aus¬
schluß Oesterreichs zu ordnen (Friede zu Prag 23. August 1866). Die in der
preußischen Machtsphäre gelegenen Staaten, deren Regierungen trotz der voran-
gegangenen Warnungen im Kriege auf Oesterreichs Seite gestanden hatten, —
Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt a. M. — wurden ebenso wie Schles¬
wig-Holstein mit dem preußischen Staate vereinigt. Die übrigen deutschen
Staaten nördlich der Mainlinie schloffen mit Preußen den Norddeutschen
Bund. Gleichzeitig wurde durch die Schutz- und Trutzbündnisse und die Zoll-
Verträge mit den süddeutschen Staaten die Einigung Gesammt-Deutschlands
unter Preußens Führu-ng vorbereitet.
Nächst dem Wunsche, zuerst einen festen Kern in Norddeutschland zu
schaffen und abzuwarten, bis die öffentliche Meinung uud das Juteresse der
Staaten Süddeutschlands von selbst zum Anschluß an den Norddeutschen Bund
drängen würden, war es die Rücksicht auf Frankreich gewesen, welche Preußen
vou einer weiteren Benutzung seiner Siege und von einer Ausdehnung seiner
Macht auch über Süddeutschland zurückgehalten hatte. Aber den Kaiser Napo-
leon III. ließen die preußischen Lorbern von Sadowa nicht schlafen. Ein Krieg
gegen das Plötzlich zu solcherMacht emporgestiegene Preußen mit der verlocken-
den Hoffnung auf den Gewinn des linken Rheinufers sollte ihm zugleich zur Be-
sestiguug seiner Dynastie iu Frankreich helfen. Unter einem nichtigen Vorwande er¬
klärte er an Preußen den Krieg (Juli 1870). Er hoffte Preußen von seinen dent-
schenBundesgenossen zu trennen; denn er kannte den mächtigenAnsschwnng nicht,
welchen das deutsche Nationalgericht in den letzten Jahrzehnten genommen hatte.