580
III. Länder- und Völkerkunde. D. Amerika.
407. Bahia.
(Nach Robert Av s-L allem ant, Reise durch Nord-Brasilien,
bearbeitet vom Herausgeber.)
Die brasilianische Küste, welche von Pernambuco (8° südl. Br.) oder dem Cap
des h. Augustin in südwestlicher Richtung verläuft, bildet, bevor sie vom 13° ab
eine fast rein südliche Linie verfolgt, die herrliche Aller-Heiligen-Bai, welche
an Umfang und Tiefe mit der Bai von Rio de Janeiro wetteifern kann.
Leicht und sicher ist ihr Zugang, keines Lootsen-Weisung, kein Baaken-Signal
braucht den Einlaufenden den Weg zu zeigen. An der Ostseite dieser Bucht
zieht sich die Cidade de S. Salvador da bahia de todos os Santos so lang
hin, wie ihr vollständiger Name auf dem Papier.
Die Unterstadt am Strande bildet einen langen, schmalen Streifen von
hohen Häusern, engen, schmutzigen Straßen und lebhaftem Geschäftstreiben.
Auf einer lang sich hinstreckenden Höhe liegt die obere Stadt, schroff hinausragend
aus dem untern Stadttheile, ein Gewirre von Häusern, Kirchen und Klöstern,
von auf- und absteigenden Straßen und Plätzen, belebt von der buntesten
Bevölkerung. Man glaubt in einer afrikanischen Hauptstadt oder in der Resi-
denz eines Negerfürsten zu sein, denn am Strande, in dem untern Stadt-
theile wie in den hochgelegenen Quartieren, sieht man allenthalben Vorzugs-
weise Neger; Alles, was arbeitet, rennt, schreit, schleppt, ist Neger. Die
Bahia-Neger, insbefondere die hier so häufigen Mina-Neger, erscheinen als
wahre Athletengruppen, wenn man die Schwarzen zu 4 oder 8 Mann dicht
aneinandergedrängt eine schwere, an einer langen, elastischen Stange herab-
Hangende Last tragen sieht, am nackten Oberkörper von Schweiß triefend,
mit lautem Geheul und einer gewissen Kampfeswuth vorwärts schreitend.
Bahia war ehemals die Hauptstadt von Brasilien und prangt als solche
noch^heute mit einer Unzahl von Kirchen und Klöstern und andern Bauten,
wie Rio solche kaum aufzuweisen hat, wenn man die Hospitalbauten aus-
nimmt. Auch schöne Gartenhäuser baut man in Bahia, besonders am süd-
lichen Ende der obern Stadt, auf der sog. „Victoria", wo man unter dunkeln
Mangabäumen die Hitze des Tages vergißt und herabblickt auf die herrliche
Bucht, wie sie sich, blitzend und leise rauschend, mit dem offenen Meere ver-
mischt und Fernsichten von mehreren Meilen bietet, in welchen hin- und
herziehende Fahrzeuge aller Formen, Größen und Flaggen ein frisches Leben
hervorrufen. Mögen auch in Rio's Gärten feinere Pflanzengliederungen
und zartere Blumen vorkommen, so erzieht dagegen Bahia üppigere, vollere
Farben- und Formenpracht, gerade wie es sich seiner formenreichen Mina-
Negerinnen (welche die Männer an Schönheit noch übertreffen) und farbigen
Creolinnen rühmt, während Rio hellere Farben liebt und sich mehr dem
europäischen Geschmacke zuwendet.