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zwar ein halbes Jahr lang die Gegenden Lapplands, des nördlichen
Sibiriens und Amerikas ; aber sie erhebt sich nur wenig über den
Horizont. Dann sinkt sie wieder und verschwindet endlich völlig,
und Nacht bedeckt im andern Halbjahr diese Gegenden, die nur mit-
unter von den prachtvollen Nordlichtern erhellt werden. Deshalb
steigt auch die Wärme selten über den Gefrierpunkt. Eisberge, oft
meilenweit ausgedehnt, in einer Höhe von 5—6 Meter, umgeben
das nördliche Festland. Bald sind sie regungslos gelagert, bald
treiben sie, von den Winden und unterseeischen Strömungen bewegt,
rastlos umher. Oft werden diese Felsen aufeinander hinaufgetrieben,
bis die Eissäule eine Entsetzen erregende Höhe erreicht und unter
ihrer eigenen Wucht zusammenbricht. Oft stoßen die Eismassen so
heftig aneinander, daß sie sich gegenseitig zertrümmern. Wunderbar
sind die Luftspiegelungen in dieser einsamen Seeregion. Sie treten
am häufigsten am Mittage ein und zeigen dem Beobachter Fahrzeuge,
die eine halbe Meile weit von ihm entfernt zu sein und in der Luft
zu schweben scheinen. Gewöhnlich erscheinen hierbei die Spitzen der
Masten nach unten und der Kiel nach oben gewendet.
Der felsige Boden des nördlichen Festlandes erzeugt außer einigen
krüppelhaften Sträuchern nur Moose und Flechten. Im Süden ge-
deihen noch die Birke, sowie Roggen, Gerste und Kartoffeln. Dort
lebt der Grönländer in seiner Erdhütte; das ergiebige Renntier bildet
seinen ganzen Reichtum. Es ist äußerst genügsam, zugleich schnell-
füßig; seine Milch ist, ebenso wie sein Fleisch, ein wohlschmeckendes
Nahrungsmittel; seine Haut dient zur Kleidung. Der Robbenfang
und die Jagd auf Eisbären nebst dem Fischfange sind die Beschäf¬
tigungen der Bewohner. Im nördlichen Sibirien wird der Zobel
gejagt, dessen Fell sehr geschätzt ist. Unter der großen Menge von
Seevögeln ist besonders die Eidergans zu nennen, die ihr Nest an
die steilsten Klippen hängt; die Jäger erklettern dieselben mit Lebens-
gefahr, um das weiche, flaumige Gefieder dieser Vögel zu erhalten.
Der treue Gefährte des Menschen ist auch hier noch der Hund; er
zieht den Eskimo im wohlbespannten Schlitten über die glatte Schnee-
fläche hin. Mächtige Walfische, begleitet von unzähligen Heringen,
ferner Schwert- und Sägefische, Meerfischottern und Seelöwen be-
Völkern die eisigen Fluten; manches Schiff aus andern Zonen erscheint
hier im Fange dieser Tiere. Ohne Zweifel birgt das Meer noch nie
gesehene Ungeheuer in seiner Tiefe, die des ewigen Eises wegen den
Blicken des Menschen entzogen sind.
6. Die Strömungen im Meere.*
Zwischen den Wendekreisen des großen Ocean, des atlan-
tischen und des indischen Meeres flutet in unwandelbarer
* Aus Thorntons Leseblüten.